So viel Widerstandskraft ! Bonhoeffer lesen in kritischen Zeiten (Frühjahr 2020)

Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus
www.bonhoeffer-haus-berlin.de

Während der durch die Corona-Krise verursachten Schließung und Besuchsbegrenzung des Bonhoeffer-Hauses war es uns wichtig, das Haus wenigstens digital ‚offen zu halten‘. Dies ge-schah durch wöchentliche blogs vom Sonntag JUDIKA am 29. März 2020 bis zum Sonntag TRINITATIS am 6. Juni 2020. Dem 75-jährigen Gedenken am 8. Mai, dem Tag der Kapitulati-on / Befreiung 1945 war ein eigener blog gewidmet. In den blogs wurden ausgewählte Bonho-effer-Texte in einen doppelten Kontext gestellt: den historischen und zugleich den aktuellen, durch das Corona-Virus dominierten. Leitend war dabei die Frage:

»Wie gehören politischer Widerstand und seelische Widerstandskraft zusammen?«

In Zeiten, in denen Impfgegner, Anhänger von Verschwörungstheorien und andere demokratie-feindliche Aktivisten den „Widerstandsbegriff“ für sich reklamieren, ist es umso wichtiger, – völ-lig im Widerspruch zu diesen – Bonhoeffers Leben und Denken im Widerstand wahrzunehmen als Hilfe zur Stärkung und Klärung.

Mit herzlichen Grüßen und guten Wünschen

Gottfried Brezger

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ÜBERBLICK
Bonhoeffer-Texte (Auszüge)

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29. März: 1. JUDIKA („Schaffe mir Recht, Gott!“)
„Einige Glaubenssätze über das Walten Gottes in der Geschichte“
(DBW 8,30 ff.)

05. April: 2. PALMSONNTAG
„Christen und Heiden“
(DBW 8,515 f.)
Sich „in das Leben, Sprechen, Handeln, Leiden und Sterben Jesu versenken“.
(DBW 8,572 f.)

12. April: 3. OSTERSONNTAG
„Auferstehung – Gottes dreifaches Ja“
Betrachtung zu Ostern 1940
(DBW 16,471 ff.)

19. April: 4. QUASIMODOGENITI („Wie neugeborene Kinder“)
Dietrich Bonhoeffers letzte Predigt in Schönberg
Glauben lernen
(DBW 8,542)

26. April: 5. MISERIKORDIAS DOMINI („Die Güte des Herrn“)
Gottes Wege mit uns: Auf grünen Auen und durch das finstere Tal
Meditation über Psalm 119,3 und Psalm 23
(DBW 15,507 f.)

03. Mai: 6. JUBILATE („Jubelt!“)
„Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur“ (2. Korintherbrief 5,17)
„Das Wunder der Auferstehung hebt die Vergötzung des Todes aus den Angeln“
(DBW 6,78 ff.)
„Wer leistet sich heute noch eine wirkliche Sehnsucht?“
(DBW 8,389 f.)

08. Mai: 7. Zum 75. Jahrestag der Kapitulation und Befreiung vom Nationalsozialismus
„Die große Maskerade des Bösen“
(DBW 8,20)
„Von der Dummheit“ (über ideologische Verblendung und notwendige Befreiung)
(DBW 8,26 ff.)
Schuldbekenntnis der Kirche zum 5. Gebot (1940/41):
(DBW 6,130)
Versagen angesichts der Judenverfolgung
Geschenk des Neuanfangs in der Ökumene

10. Mai: 8. KANTATE
„Singt dem Herrn ein neues Lied“ (Psalm 98,1)
Dietrich Bonhoeffer und Paul Gerhardt – ein Beziehungswandel
Predigt am Sonntag KANTATE in London, 1934
(DBW 13,351 ff.)
Vortrag anlässlich der Olympiade 1936 in Berlin
(DBW 14,714 ff.)
Briefe aus der Haft
(DBW 8)

17. Mai: 9. ROGATE
„Herr, lehre uns beten!“ (Lukas 11,1) – Beten mit Christus
„Das Gebetbuch der Bibel. Eine Einführung in die Psalmen“
(DBW 5)
Gebete für Gefangene
(DBW 8,204 ff.)
Gebet in Not und Erhörung
(DBW 8)

21. Mai: 10. CHRISTI HIMMELFAHRT
„Christus hat die ganze Welt mit sich hinaufgerissen zum Leben und zum Licht“
Predigt in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche Berlin am 16.6.1932
(DBW 11,444 ff.)
Predigt in der Kaiser-Wilhelm-Kirche Berlin am 25.5.1933
(DBW 12,455 ff.)

24. Mai: 11. EXAUDI („Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe!“, Psalm 27)
Aaron gegen Mose – der ewige Konflikt in der Kirche Christi – Exodus 32
(DBW 12,459 ff.)
Predigt in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche Berlin am 28.5.1933

31. Mai: 12. PFINGSTEN
„Wir beherbergen gewissermaßen Gott und die ganze Welt in uns“
Briefe zu Pfingsten in der Haftzeit
(DBW 8)

07. Juni: 13. TRINITATIS
Die vollkommene Liebe als das Geheimnis des lebendigen Gottes
Predigt am Sonntag Trinitatis, London, 27. Mai 1934 (DBW 13,359-363)
„Widerstand und Ergebung“ (DBW 8)

So viel Widerstandskraft ! Bonhoeffer lesen in kritischen Zeiten (13) Trinitatis, 7. Juni 2020

Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus
www.bonhoeffer-haus-berlin.de (Texte in deutscher und englischer Sprache)

Dies ist der letzte Beitrag auf der Website des Bonhoeffer-Hauses (unter: Aktuelles) in der Reihe der Blogs seit dem Sonntag Judika am 29. März 2020. Dadurch sollte das Haus, das seit Anfang Mai wieder von Kleingruppen bis zu 5 Personen besucht werden kann, digital offen gehalten werden. In den 13 Folgen (s. Überblick) wurden ganz unterschiedliche Bonhoeffer-Texte in ihren historischen und den aktuellen Kontext gestellt unter dem Aspekt:
»Wie gehören politischer Widerstand und seelische Widerstandskraft zusammen?«
In diesen Tagen, in denen Impfgegner, Anhänger von Verschwörungstheorien und andere demokratiefeindliche Aktivisten den „Widerstandsbegriff“ für sich reklamieren, ist es umso wichtiger, -völlig im Widerspruch zu diesen – Bonhoeffers Leben und Denken im Widerstand wahr-zunehmen als Hilfe zur Stärkung und Klärung in kritischen Zeiten.

Mit herzlichen Grüßen und guten Wünschen
Gottfried Brezger


TRINITATIS: Die vollkommene Liebe als das Geheimnis des lebendigen Gottes
– Die Rede vom dreieinigen Gott


TEXT
DBW 13,359-363 (kursiv original).
Predigt am Sonntag Trinitatis, London, 27. Mai 1934

  1. Korinther 2,7-10
    Wir reden von der heimlichen, verborgenen Weisheit Gottes, welche Gott verordnet hat vor der Welt zu unserer Herrlichkeit, welche keiner von den Obersten dieser Welt erkannt hat; denn wo sie die erkannt hätten, hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt. Sondern wie geschrieben steht (Jesaja 64,3): „Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.“ Uns aber hat es Gott offenbart durch seinen Geist; denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit.

Die Geheimnislosigkeit unseres modernen Lebens ist unser Verfall und unsere Armut. Ein menschliches Leben ist so viel wert, als es Respekt behält vor dem Geheimnis. Ein Mensch erhält sich so viel vom Kinde ihn ihm, als er das Geheimnis ehrt. Darum haben die Kinder so offene, erwachende Augen, weil sie wissen, dass sie umgeben sind vom Geheimnis …
Dass das Geheimnis die Wurzel alles Begreiflichen und Klaren und Offenbaren ist, das wollen wir nicht hören … Das Geheimnis bleibt Geheimnis. Es entzieht sich unserem Zugriff. Geheim-nis heißt nun aber nicht einfach, etwas nicht wissen … Nicht der fernste Mensch ist uns das größte Geheimnis, sondern grade der Nächste. Und sein Geheimnis wird uns dadurch nicht geringer, dass wir immer mehr von ihm wissen; sondern in seiner Nähe wird er uns immer ge-heimnisvoller. Es ist die letzte Tiefe alles Geheimnisvollen, wenn zwei Menschen einander so nahe kommen, dass sie einander lieben. …

Warum sagen wir das alles heute, am Tag, an dem wir [von] der Dreieinigkeit Gottes reden sollen? Wir sagen es, um auf ganz menschliche Weise aufmerksam zu machen auf jenen Be-griff, der uns immer wieder verloren gehen will und ohne den es einfach keinen Zutritt gibt zum Verständnis des Gedankens der Dreieinigkeit Gottes – nämlich den Begriff des Geheimnisses … Gott lässt sich nicht einfach fassen, wo wir ihn grade fassen wollen, sondern die Kirche re-det von der heimlichen, verborgenen Weisheit Gottes. Gott lebt im Geheimnis. Sein Sein ist uns Geheimnis, Geheimnis von Ewigkeit her und zu Ewigkeit hin … Jedes Dogma der Kirche ist nur Hinweis auf das Geheimnis Gottes.

Aber die Welt ist gegen dieses Geheimnis blind. Sie will einen Gott, den sie verrechnen und ausnutzen kann oder sie will gar keinen Gott. Das Geheimnis Gottes bleibt ihr verborgen. Sie will es nicht. Sie macht sich Götter nach ihrem Wunsch, aber den nahen, heimlichen, verbor-genen Gott erkennt sie nicht ….
Die Obersten dieser Welt leben vom Rechnen und vom Nutzen, dadurch werden sie groß in der Welt – aber das Geheimnis begreifen sie nicht; das begreifen ja nur die Kinder. Ein untrüg-liches Zeichen trägt die Welt, das von ihrer Blindheit gegen das Geheimnis Gottes zeugt: das Kreuz Christi … Das also ist das unerkannte Geheimnis Gottes in dieser Welt, Jesus Christus … Geheimnis darum, weil Gott hier arm, niedrig, schwach wurde aus Liebe zu den Menschen, weil Gott ein Mensch wurde wie wir, damit wir göttlich würden, weil er zu uns kam, damit wir zu ihm kämen … Gottes Liebe und Nähe – das ist das Geheimnis Gottes, das er denen bereitet hat, die ihn lieben.

Dass es der eine Gott ist, der Vater und Schöpfer der Welt, der in Jesus Christus uns geliebt hat bis zum Tod, der im Heiligen Geist unser Herz zu ihm auftut, dass wir ihn lieben, dass es nicht drei Götter sind, sondern dass es einer ist, der die Welt vom Anfang bis zum Ende um-fängt, schafft und erlöst, und dass er doch jedes mal ganz Gott ist als der Schöpfer und Vater, als Jesus Christus und als der Heilige Geist – das ist die Tiefe der Gottheit, die wir als Geheim-nis anbeten und als Geheimnis begreifen … Gottes Selbstverherrlichung in der Liebe – das ist sein Geheimnis.
Wenn wir am Anfang des Gottesdiensts sagen: Im Namen … so rufen [wir] dies Geheimnis der Liebe Gottes an.
Wenn die Kirche seit Jahrhunderten von dem dreieinigen Gott lehrt, so ist dies alles andere als rationalistische Verhärtung der Religion, sondern es ist nichts anderes als ein dauerndes Hin-weisen wollen, durch allerlei Weise, auf das Geheimnis des lebendigen Gottes. Der Sinn der Dreieinigkeitslehre ist ungeheuer einfach, sodass ihn jedes Kind verstehen kann: es ist wahr-haftig nur ein Gott, aber dieser Gott ist die vollkommene Liebe [in der er sich selbst verherrlicht und die ganze Welt umfasst] und als solche ist er Jesus Christus und der Heilige [Geist].

KONTEXT

1 Widerstandskraft

„Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brau-chen. Aber er gibt sie nicht im voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen.“

Am Anfang der Reihe mit Bonhoeffer-Texten standen diese an die Mitverschworenen gerichte-ten Worte an der Jahreswende 1942/43 (Einige Glaubenssätze über das Walten Gottes in der Geschichte“, in: Nach zehn Jahren, DBW 8,30 ff.).
Am Schluss der 13 Beiträge der 10 Wochen seit dem Sonntag Judika am 29. März 2020 lesen wir noch einmal, wie am Sonntag Exaudi, Auszüge aus einer Predigt Dietrich Bonhoeffers, nun aus seiner Londoner Zeit. Sie spricht von der „heimlichen, verborgenen Weisheit Gottes“.

Die Wichtigkeit der Predigt wurde besonders betont von Ernst Feil (Die Theologie Dietrich Bonhoeffers. Hermeneutik. Christologie. Weltverständnis, München 1971) und Hans-Jürgen Abromeit (Das Geheimnis Christi. Dietrich Bonhoeffers erfahrungsbezogene Christologie, Neukirchen-Vluyn 1991).

2 Gott lebt im Geheimnis

Bei der Bekämpfung der Pandemie werden Mittel und Wege gesucht, die Verbreitung des Vi-rus in den Griff zu bekommen und es werden keine Kosten gescheut, die Folgen zu begrenzen. Was grundsätzlich gilt, trifft hier besonders zu: Auch die Wissenschaft kann politisch Verant-wortliche nicht davon befreien, unter dem Vorbehalt der Unsicherheit zu entscheiden.

In ganz grundsätzlicher Weise hat es der christliche Glaube mit dem Vorbehalt der Ungewiss-heit zu tun. „Gott lässt sich nicht einfach fassen, wo wir ihn grade fassen wollen … Gott lebt im Geheimnis … Aber die Welt ist gegen dieses Geheimnis blind.“ Bereits im letzten Kapitel von ‚Akt und Sein‘ (1931) hat Bonhoeffer die „eschatologische Möglichkeit des Kindes“ (‚actus di-rectus‘, DBW 2,158 ff.) dem durch die Vergangenheit bestimmten Glauben des Erwachsenen in der Begrenzung seines Gewissens und Bewusstseins (‚actus reflexus‘) entgegen gesetzt.

3 Das Kreuz Christi als Zeichen für das unerkannte Geheimnis Gottes in der Welt

„Aus Liebe zu den Menschen“ wird Gott „arm, niedrig, schwach“. „Gottes Selbstverherrlichung in der Liebe – das ist sein Geheimnis.“ Als „vollkommene Liebe“ ist der eine Gott zugleich Je-sus Christ und der Heilige Geist.“ Die dreifältige Beziehung ist Zeichen der Vollkommenheit.

Ergriffen vom Unbegreiflichen, inspiriert von Gottes Liebe wird das Mitleiden am Leiden Gottes an der Welt zum Leitmotiv christlichen Handelns. Solidarität mit den besonders Bedrohten ge-hört in der Corona-Krise dazu. Aber nicht nur mit den Nächsten, sondern auch mit den Fernen. Und nicht nur mit den heute Lebenden, sondern auch mit zukünftigen Generationen. Gottes Selbstverherrlichung fordert, zu widerstehen gegen die Selbstverherrlichung von Egomanen und Autokraten, die sich in der Krise nur noch schneller um sich selber drehen.

4 „Soviel Widerstandskraft“ – Widerstand und Ergebung

Enttäuscht über die seiner Meinung nach durch „übergroße Bedenklichkeit“ verpasste Gele-genheit zu seiner Freilassung nach dem Abschluss der Untersuchungen schreibt Dietrich Bon-hoeffer am 21. Februar 1944 an seinen Freund Eberhard Bethge: über „eine negative Kehrseite der bürgerlichen Existenz, d.h. eben jenes Stück Glaubenslosigkeit, das in gesicherten Zeiten verborgen bleibt, aber in ungesicherten zum Vorschein kommt, und zwar in der Gestalt der ‚Angst‘ … vor dem selbstverständlichen, schlichten Tun und von dem Aufsichnehmen notwen-diger Entscheidungen. Ich habe mir hier [in der Haft] oft Gedanken darüber gemacht, wo die Grenzen zwischen dem notwendigen Widerstand gegen das ‚Schicksal‘ und der ebenso not-wendigen Ergebung liegen … Ich glaube, wir müssen das Große und Eigene wirklich unter-nehmen und doch zugleich das selbstverständlich- und allgemein-Notwendige tun, wir müssen dem ‚Schicksal‘ – ich finde das ‚Neutrum‘ dieses Begriffes wichtig – ebenso entschlossen ent-gegentreten wie uns ihm zu gegebener Zeit unterwerfen. Von ‚Führung‘ kann man erst jenseits dieses zwiefachen Vorgangs sprechen, Gott begegnet uns nicht nur als Du, sondern auch ‚vermummt‘ im ‚Es, und in meiner Frage geht es also im Grunde darum, wie wir in diesem ‚Es‘ (‚Schicksal‘) das ‚Du‘ finden, oder m.a.W. – verzeih, ich verabscheue Fettflecke als etwas be-sonders Unappetitliches; aber ich kann den Bogen nicht nochmal schreiben, da der Brief sonst noch länger liegen bleibt! – wie aus dem ‚Schicksal‘ wirklich ‚Führung‘ wird.
Die Grenzen zwischen Widerstand und Ergebung sind also prinzipiell nicht zu bestimmen; aber es muss beides da sein und beides mit Entschlossenheit ergriffen werden. Der Glaube fordert dieses bewegliche, lebendige Handeln.“ (DBW 8,333)

Diese Gedanken haben Eberhard Bethge 1951 dazu veranlasst, Dietrich Bonhoeffers Briefen und Aufzeichnungen aus der Haft den Titel „Widerstand und Ergebung“ zu geben.

Soviel Widerstandskraft – so viel Widerstandskraft!

Dietrich Bonhoeffer fragt nicht nach dem fernen, sondern nach dem nahen Gott. In seiner Be-drängnis durch die fortdauernde Haft geht es ihm im Blick auf seine Gottesbeziehung nicht um die ‚Warum-Frage‘. Es ist die ‚Wer-Frage‘, die aus dem ‚Es‘ ein ‚Du‘ macht – Fettfleck hin oder her.

So viel Widerstandskraft heute! Das verstehe ich in unserer Zeit der Begrenzungen aufgrund der Pandemie so: nicht in der Verfolgung von eigenen oder fremden Prinzipien und Interessen, sondern im beweglichen, lebendigen Handeln im Glauben, sowohl im Widerstand gegen Un-recht, das in dieser Krise deutlich zutage tritt, als auch in der Ergebung in oder auch Anpassung an das Selbstverständliche und Notwendige – in beidem erfahren wir Gottes ‚Führung‘ und Nä-he. Und so selbstverständlich z.B. das Abstandsgebot sein sollte, so notwendig ist es, dass wir die Widerstände überwinden, die uns hindern, denen nahe sein, die unser „Beten und Tun des Gerechten“ gerade jetzt und in der Zukunft brauchen.

Bleiben Sie behütet und getrost im beweglichen, lebendigen Handeln im Glauben!
Gottfried Brezger


Memorial and Place of Encounter Bonhoeffer-Haus Berlin
www.bonhoeffer-haus-berlin.de

So much strength to resist! Read Bonhoeffer in critical time (13)
Trinity, June 6, 2020

This is the last episode on the website of the Bonhoeffer House (see: Aktuelles / News) in the se-ries of blogs since Sunday JUDICA on March 29, 2020. This should enable the House, which has been visited by small groups of up to 5 people again since the beginning of May, to be kept digital-ly open. In the 13 episodes, very different Bonhoeffer texts were placed in their historical and cur-rent context under the aspect:
»How do political resistance and mental strength to resist (resilience) belong together?«
In these days, when opponents of vaccination, supporters of conspiracy theories and other anti-democratic activists claim the term “resistance” for themselves, it is all the more important – in complete contradiction to this – to perceive Bonhoeffer’s life and thinking in resistance as help for strengthening and clarifying.

With warm regards and good wishes
Gottfried Brezger, chairman


TRINITY: The perfect love as mystery of the living God
– The doctrine of the trinity


TEXT
DBW volume 13, p. 360-363 (the italics are original)
Sermon on 1 Corinthians 2:7-10
London, Trinity Sunday, May 27, 1934

But we speak God’s wisdom, secret and hidden, which God decreed before the ages for our glo-ry. None of the rulers of this age understood this; for if they had, they would not have crucified the Lord of glory. But, as it is written [Isa.64:4],
“What no eye has seen, nor ear heard, nor the human heart conceived, what God has prepared for those who love him – these things God has revealed to us through the Spirit; for the Spirit searches everything, even the depths of God..”

The lack of mystery in our modern life means decay and impoverishment for us. A human life is of worth to the extent that it keeps its respect for mystery. By honoring mystery, we keep within us some of the child we used to be. Children keep their eyes wide open, wide awake, because they know that they are surrounded by mystery …
That the roots of all that is clear and obvious and understandable lie in mystery, that is what we do not want to hear … The mystery remains a mystery. It eludes our grasp.
However, mystery does not mean simply not knowing something … The person farthest away from us is not the most mysterious to us, but rather the neighbor. And the mystery of that person will not be diminished for us the more we find out about him or her; instead, he or she will become ever more mysterious to us, the closer we come together. The very deepest mystery is when two persons grow so close to each other that they love each other …

Why are we saying all this today, on the day when we are supposed to be talking about God in the Holy Trinity? We say it to draw attention, in a very human way, to that concept that we are always losing sight of and without which there is simply no way to come near to understand the idea of God the Holy Trinity – that is, the concept of mystery …
God cannot simply be grasped in the way we might expect to do it; instead, the church speaks of the secret and hidden wisdom of God. God lives in mystery. To us, God’s very being is mystery, from everlasting to everlasting … Every dogma of the church only points to the mystery of God.

But the world is blind for this mystery. It wants to have either a God whom it can calculate and exploit or else no God at all. The mystery of God remains hidden from the world. The world does not want it. Instead, it makes its own gods according to its wishes and never recognizes the mys-terious and hidden God who is near at hand … The rulers of this world live by calculation and ex-ploitation; that is how they come to be great rulers in the eyes of the world. But they do not under-stand mystery; only children do.
The world carries an unmistakable sign that proves it is blind to the mystery of God: the cross of Jesus Christ … That is the unrecognized mystery of God in this world: Jesus Christ. That this Je-sus of Nazareth, the carpenter, was the Lord of glory in person, that was the mystery of God. A mystery, because here on earth God became poor and lowly, small and weak, out of love for hu-mankind; because God became a human being like us, so that we might become divine; because god came to us so that we might come to God …God’s love and closeness – that is the mystery of God, the holy mystery prepared for those who love God.

That this is the one God, Father and Creator of the world, who in Jesus Christ loved us even unto death, who in the Holy Spirit opens our hearts to receive and to love that one God; that there are not three gods, but only one, who envelops, creates, and redeems the world from beginning to end; and that in each of these God is fully God, as Creator and Father, as Jesus Christ and as the Holy Spirit – that is the depth of deity, which we worship as a mystery and understand as a mys-tery … God’s self-glorification expressed in love – that is God’s essential mystery …

When we say, at the beginning of our worship service, “In the name of God, the Father, the Son, and the Holy Spirit,” we are appealing to this mystery of the love of god. For hundreds of years the church has been teaching about God the Holy Trinity. But this is anything but a rationalistic hard-ening of religion; to the contrary, it is our continuing effort to point in every way can toward the mystery of the living God.
What the doctrine of Trinity means is immensely simple, so that any child can understand it. There is truly one God, but this God is perfect love [in which God glorifies himself and embraces the whole world in love] and as such God is Jesus Christ and the Holy [Spirit].

CONTEXT

1 Strength to resist

„I believe that in every moment of distress God will give us as much strength to resist as we need. But it is not given to us in advance, lest we rely of ourselves and not on God alone.”

At the beginning of the series with Bonhoeffer texts were these words addressed to the conspira-tors at the turn of 1942/43 (Trust, in Prologue of Letter and Papers from Prison, DBW volume 8).
At the end of the 13 episodes of the 10 weeks since Sunday Judica on March 29, 2020, we read again, as on Sunday Exaudi, extracts from a sermon by Dietrich Bonhoeffer, now from his time in London. His sermon speaks of the „secret, hidden wisdom of God“.

The importance of the sermon was particularly emphasized by Ernst Feil (Die Theologie Dietrich Bonhoef-fers. Hermeneutik. Christologie. Weltverständnis, München 1971) and Hans-Jürgen Abromeit (Das Geheim-nis Christi. Dietrich Bonhoeffers erfahrungsbezogene Christologie, Neukirchen-Vluyn 1991).

2 God lives in mystery

The fight against the pandemic looks for ways to control the spread of the virus and spares no expense in limiting the consequences. What applies in principle is particularly true here: even sci-ence cannot exempt politically responsible persons from making decisions subject to uncertainty.

Fundamentally, the Christian faith has to do with the reservation of uncertainty. “God cannot simp-ly be grasped in the way we might expect to do it … God lives in mystery … But the world is blind for this mystery.”

Already in the last chapter of ‚Act and Being‘ (1931) Bonhoeffer had the „eschatological possibility of the child“ (‚actus directus‘, DBW 2,158 ff.) opposed the adult’s belief in the limitation of his con-science and consciousness determined by the past (‚Actus reflexus‘).

3 The cross of Jesus Christ as sign for the unrecognized mystery of God in this world

“Out of love for humankind” “God became poor and lowly, small and weak.” “God’s self-glorification expressed in love – that is God’s essential mystery.” As “perfect love” is the “truly one God … Jesus Christ and the Holy Spirit.” The triune relationship is the essence of God’s perfec-tion in love.

Seized by the incomprehensible, inspired by God’s love, compassion for God’s suffering in the world becomes the basic requirement for the action of Christians. Solidarity with the particularly threatened is part of the Corona crisis. But not only with the next ones, but also with the distant ones. And not only with those living today, but also with future generations. God’s self-glorification demands to resist the self-glorification of egomaniacs and autocrats, who only revolve more quickly in the crisis.

4 As much strength to resist – resistance and submission

Disappointed at the opportunity he had missed – in his opinion – due to „excessive concern“ for his release after the investigation was completed, Dietrich Bonhoeffer wrote to his friend Eberhard Bethge on February 21, 1944, about “a negative side of bourgeois existence – simply that part of our lack of faith that remains hidden in times of security, but comes out in times of insecurity in the form of fear … of straightforward, simple actions, fear of having to make necessary decisions. I’ve often wondered here [in prison] where we are to draw the line between necessary resistance [Widerstand] to ‘fate’ and equally necessary submission [Ergebung] … I think we must rise to the great demands that come to each of us, but also do the commonplace and necessary things. We must stand up to ‘fate’ – to me the ‘neuter’ gender of this word is significant – as resolutely as we must submit to it at a given time. Only on the other side of this twofold process can we speak of ‘being led’ [‘Führung’]. God meets us not only as ‘Thou’ but also in the ‘disguise’ of an ‘It’, so my question is basically how to find the ‘Thou’ in this ‘It’. (i.e., ‚fate‘). Or in other words -excuse me, I really find grease spots disgusting, but I can’t write this page over again, since then the letter will be delayed even longer!”- how ‘fate’ really becomes ‘the state of being led’. So the boundaries between resistance and submission can’t be determined as a matter of principle but both must be there and both must be seized resolutely. Faith demands this flexible and alive way of acting.” (DBW volume 8,303 f.)

These thoughts inspired Eberhard Bethge to give Dietrich Bonhoeffer’s letters and papers from prison the title „Widerstand und Ergebung“ in 1951.

As much strength to resist – so much strength to resist!

Dietrich Bonhoeffer does not ask about the distant, but about the close God. In his distress due to the continued detention, he is not concerned with the question of “Why?” in his relationship with God. It is the question of “Who?” that turns the ‚It‘ into a ‚Thou‘ – grease or not.

So much strength to resist today! I understand this in our time of limitations due to the pandemic: not in the pursuit of own or foreign principles and interests, but in flexible, lively acting in faith, both in the resistance to injustice, which is clearly evident in this crisis, as well as in surrendering or adapting to what is self-evident and necessary – in both we experience God’s ‚guidance‘ and closeness. And so naturally e.g. the imperative of distance should be, so it is necessary for us to overcome the resistances that prevent us, to be close to those who need our “praying and doing justice” right now and in the future.

Stay protected and confident in flexible, lively acting in faith!
Blessings
Gottfried Brezger

So viel Widerstandskraft ! Bonhoeffer lesen in kritischen Zeiten (12) Pfingsten, 31. Mai 2020

Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus
www.bonhoeffer-haus-berlin.de (Texte in deutscher und englischer Sprache)

Inzwischen können wieder kleine Gruppen bis zu 5 Personen das Bonhoeffer-Haus besuchen. Darüber hinaus halten wir das Haus „offen“ durch Blogs, in denen wir für jeden Sonntag bis Trinitatis einen Bonhoeffer-Text in den historischen und aktuellen Kontext stellen unter dem Aspekt: »Wie gehören politischer Widerstand und seelische Widerstandskraft zusammen?«
In diesen Tagen, in denen Impfgegner, Anhänger von Verschwörungstheorien und andere demokratiefeindliche Aktivisten den „Widerstandsbegriff“ für sich reklamieren, ist es umso wichtiger, -völlig im Widerspruch zu diesen – Bonhoeffers Leben und Denken im Widerstand wahr-zunehmen als Hilfe zur Stärkung und Klärung.

Mit herzlichen Grüßen und guten Wünschen
Gottfried Brezger


Pfingsten: „Wir beherbergen gewissermaßen Gott und die ganze Welt in uns“


TEXT
Briefe aus der Haftzeit von 1943 und 1944 (DBW 8, Widerstand und Ergebung)

8. Juni 1943, aus einem Brief von Karl Bonhoeffer an Dietrich (DBW 8,94)

Wir hatten eigentlich gehofft, schon gestern oder vorgestern einen Brief von Dir zu haben. Da er nun auch heute noch nicht gekommen ist, will ich Dir doch schreiben, ohne weiter abzuwar-ten. Wir hoffen, dass die Verzögerung nicht daran liegt, dass Du gesundheitlich nicht in Ord-nung bist. Bei uns ist gesundheitlich nichts zu klagen. Unser Leben geht weiter im wesentlichen in Gedanken an Dich und Hans [v. Dohnanyi].

10. Juni 1943, aus einem Brief von Paula Bonhoeffer an Dietrich (DBW 8,95 f.)

Mein kurzer Gruß, den ich an Papas Brief anfügte, soll doch nicht der einzige Pfingstgruß von mir sein. Ich glaube wohl, dass es dir gelingen wird, auch in der Einsamkeit ein schönes Pfingstfest zu gestalten, denn Du bist ja nicht allein. Dass auch wir alle in Gedanken um Dich sind, weißt Du. Wir wollen miteinander an das alte Pfingstlied denken, in dem es heißt: Lass dich reichlich auf uns nieder, bis wir wieder Trost empfinden, alles Unglück überwinden“ [EG 130, O Heilger Geist, kehr bei uns ein, Strophe 4, 2. Teil]. Im Garten ist zum ersten Mal zu Pfingsten wirklich eine Pfingstrose im Aufblühen!

Eben kommt Dein Brief vom 4ten! [vom Himmelfahrtstag, nach dem Besuch von Maria und ihrer Mutter bei Dietrichs Eltern; s. blog 10] Wir hatten schon sehr darauf gewartet. Es ist uns immer eine ganz große Freude zu sehen, wie Deine innere Berufung zum Pfarrer und Theolo-gen sich auch in dieser harten Zeit an Dir erweist …

2. April 1944, aus einem Brief Dietrichs an Eberhard Bethge (DBW 8,374)

Wenn nun wohl auch Ostern vorübergehen wird, ohne dass wir zu Hause sind und uns wieder-sehen [E.B. war zu dieser Zeit bei der Wehrmacht in Italien], so verschiebe ich diese Hoffnung doch nicht weiter als bis auf Pfingsten. Was meinst Du dazu?

24. Mai 1944, aus einem Brief Dietrichs an Eberhard und Renate (DBW 8,448)

Ich weiß nicht, wie ich meine Wünsche für Eure Pfingsttage anders ausdrücken soll als indem ich ein Wort gebrauche, das ich nur selten in den Mund nehme, – ich wünsche euch, dass Ihr ein gesegnetes Pfingsten feiert, ein Pfingsten mit Gott und mit dem Gebet, ein Pfingsten, an dem Ihr Euch vom Heiligen Geist angerührt wisst, ein Pfingsten, das für die kommenden Wo-chen und Monate für Euch ein rocher de bronce [Felsen aus Erz] der Erinnerung ist. Ihr braucht Tage, an die zurückzudenken Euch nicht ein Schmerz über etwas Entbehrtes, sondern eine Stärkung durch etwas Beständiges ist. Ich habe für Euch ein paar Worte zu den Losungen zu schreiben versucht, z.T. noch heute während der Alarmstunden, sie sind daher etwas dürftig und nicht so durchmeditiert, wie es nötig wäre … Ist eigentlich für Dich. Eberhard, die Erinne-rung an die Pfingstmorgen in Finkenwalde auch so schön und wichtig?

29. Mai 1944, aus einem Brief Dietrichs an Eberhard (DBW 8,453 f.)

Ich hoffe, dass Ihr trotz der Alarme die Ruhe und Schönheit dieser sommerlich warmen Pfingsttage voll auskostet. Man lernt es ja allmählich, von den Bedrohungen des Lebens inner-lich Abstand zu gewinnen, d.h. „Abstand gewinnen“ klingt eigentlich zu negativ, zu formal, zu künstlich, zu stoisch, richtiger ist es wohl zu sagen: man nimmt diese täglichen Bedrohungen … in das Ganze seines Lebens mit hinein. Ich beobachte hier immer wieder, dass es so wenige Menschen gibt, die viele Dinge gleichzeitig in sich beherbergen können … Demgegenüber stellt uns das Christentum in viele verschiedene Dimensionen des Lebens zu gleicher Zeit;

wir beherbergen gewissermaßen Gott und die ganze Welt in uns. Wir weinen mit den Weinen-den und freuen uns zugleich mit den Fröhlichen; wir bangen …um unser Leben, aber wir müs-sen doch zugleich Gedanken denken, die uns viel wichtiger sind als unser Leben …

Das Leben wird nicht in eine einzige Dimension zurückgedrängt, sondern es bleibt mehrdimen-sional, polyphon. Welch‘ eine Befreiung ist es denken zu können und in Gedanken die Mehrdi-mensionalität aufrechtzuerhalten … Man muss die Menschen aus dem einlinigen Denken her-ausreißen – gewissermaßen als „Vorbereitung“ bzw. „Ermöglichung“ des Glaubens, obwohl es in Wahrheit erst der Glaube selbst ist, der das Leben in der Mehrdimensionalität ermöglicht und uns also auch diese Pfingsten trotz Alarmen feiern lässt.

8. Juni 1944, aus einem Brief Dietrichs an Eberhard (DBW 8,475)

… Wir hatten unser Wiedersehen von Weihnachten über Ostern auf Pfingsten verschoben und ein Fest nach dem anderen ging vorüber. Das nächste Fest aber gehört nun sicher uns, daran zweifle ich nicht mehr …

KONTEXT

Dietrich Bonhoeffer hat in seiner Familie gelernt, Feste zu gestalten. So ist seine Mutter über-zeugt, dass ihm dies auch „in der Einsamkeit“ der Gefängniszelle in Tegel gelingen wird: „Denn Du bist ja nicht allein. Dass auch wir alle in Gedanken um Dich sind, weißt Du.“ Dieses ‚Wissen‘ begleitet ihn auch in seinem letzten Gedicht „Von guten Mächten“.

Die Feste im Kirchenjahr strukturieren nicht nur das kirchliche Handeln; sie sind für Bonhoeffer auch Stationen seiner persönlichen Hoffnung auf Befreiung aus der Haft. Nach fast einem Jahr in Untersuchungshaft will er seine Hoffnung auf die Rückkehr nach Hause und ein Wie-dersehen mit seinem Freund Eberhard Bethge „nicht weiter als bis auf Pfingsten“ verschieben.

Ein „gesegnetes Pfingsten“, wünscht er Eberhard und Renate Bethge in seinem Brief von 24. Mai 1944, dass es „für die kommenden Wochen und Monate“ ein ‚Fels der Erinnerung‘ ist. Zu-gleich erinnert er Eberhard an die Pfingstmorgen in Finkenwalde.

„Man lernt es ja allmählich von den Bedrohungen des Lebens innerlich Abstand zu gewinnen“ – dieser Gedanke erscheint uns in Zeiten der Pandemie überraschend aktuell. Auch wenn wir, anders als Bonhoeffer in der Haft, nicht damit rechnen müssen, der Bedrohung ausgeliefert zu sein. Was aber macht Bonhoeffer aus diesem Gedanken? Er wendet den Begriff „Abstand“, der ihm „eigentlich zu negativ, zu formal, zu künstlich, zu stoisch“ klingt, ins Konstruktive: „Man nimmt diese täglichen Bedrohungen … in das Ganze seines Lebens mit hinein.“
Bonhoeffer beobachtet in seiner Umgebung im Gefängnis, „dass es so wenige Menschen gibt, die viele Dinge gleichzeitig in sich beherbergen können“. Dagegen setzt er den christlichen Glauben, in dem „das Leben nicht in eine einzige Dimension zurückgedrängt“ wird, „sondern mehrdimensional, polyphon„ bleibt.

„Wir beherbergen gewissermaßen Gott und die ganze Welt in uns.“ Und: „Man muss die Men-schen aus dem einlinigen Denken herausreißen“ – für mich beleuchten diese beiden Sätze das Leben und Wirken Dietrich Bonhoeffers im Licht des Geschehens von Pfingsten. Und sie wei-sen im Beten und Tun den Weg zum nichtreligiösen Verständnis der christlichen Botschaft.

Wenn Gottes Geist seine Welt neu schafft, dann wird die Kirche weit,
dann wirkt in ihr seine Schöpfungskraft, macht sie bereit zum Streit
für Frieden und für Gerechtigkeit, für Güte und Verstehn,
für Einheit in der Verschiedenheit, für Wunder, die wir sehn (G.B. 2015)


Memorial and Place of Encounter Bonhoeffer-Haus Berlin
www.bonhoeffer-haus-berlin.de

So much strength to resist! Read Bonhoeffer in critical time (12)
Pentecost, May 31, 2020

Since the beginning of May, small groups of up to 5 people can visit the Bonhoeffer House. This corresponds to the state regulations for museums and memorials. In addition, we keep the house “open” through the weekly blogs, in which we put Bonhoeffer texts in the historical and current context for each Sunday through Trinitatis Sunday with the aspect: »How do political resistance and mental strength to resist (resilience) belong together?« In these days, when opponents of vaccination, supporters of conspiracy theories and other anti-democrat activists claim the term “resistance” for themselves, it is all the more important–in complete contradiction to this–to per-ceive Bonhoeffer’s life and thinking in resistance as help for strengthening and clarifying.

With warm regards and good wishes
Gottfried Brezger, chairman


PENTECOST: “In a way we accommodate God and the whole world within us.”


TEXT
Letters and Papers from Prison, DBW, volume 8

June 8, 1943, Karl Bonhoeffer to Dietrich in the Prison (DBW vol. 8,100)
We had actually hoped to have a letter from you yesterday or the day before. Since none has arrived today, I decided to write to you without waiting any longer: we hope that the delay is not caused by any health problems on your part. We cannot complain about our own health. Our life essentially goes in thoughts of you and Hans [v. Dohnanyi].

June 10, 1943, Paula Bonhoeffer to Dietrich (DBW vol. 8,101)
My brief note added to Papa’s letter should not be the only Pentecost greeting from me. I firmly trust that, even in your solitude, you will be able to celebrate a beautiful Pentecost, for you are, of course, not alone. You do know that all of us are gathered around you in our thoughts. Together let us remember the old Pentecost hymn that says: “Descend on us in fullness, until comfort may return, and all harm be overcome.” [O Holy Spirit, enter in] In the garden a peony [Pfingstrose] is actually about to bloom for Pentecost, the first time ever.
The letter of the fourth [Ascension Day] has just arrived. We had been awaiting it eagerly. It is al-ways a joy for us to see how your inner calling as a pastor and theologian is being confirmed for you, even in these hard times.

April 2, 1944, Dietrich to Eberhard (DBW vol. 8,337)
So Easter too will come and go without our being home and seeing each other [ E.B. was with the Army in Italy at that time) But I’m not putting off our hopes any further than Pentecost. What do you say to that?

May 24, 1944, Dietrich to Eberhard and Renate Bethge (DBW vol. 8,400)
I don’t know how to express my wishes to you for Pentecost except by using a word that I seldom speak. I wish you a blessed Pentecost, celebrated with God and with prayer; a Pentecost in which you feel the touch of the Holy Spirit; a Pentecost that will be for you, in the coming weeks and months, a rocher de bronce [rock of bronze] of memories. You need days you can look back on, not with the pain of having been deprived, but as a source of strength from something that en-dures. I’ve been trying to write you a few words on the ‘Daily Texts’, some of them today during the air raids, so they are a bit sketchy and not as well thought through as they should have been … Eberhard, does remembering Pentecost mornings in Finkenwalde still feel so good and signifi-cant for you too?

May 29, 1944, Dietrich to Eberhard (DBW 8,404)
I hope that despite the air raids you both are enjoying to the full the peace and the beauty of these warm, summery days of Pentecost. Inwardly, one learns gradually to put life-threatening things in proportion. Actually “put in proportion” sounds too negative, too formal or artificial or stoic. One should more correctly say that we just take in these daily threats as part of the totality of our lives. I often notice hereabouts how few people there are who can harbor many different things at the same time …Christianity, on the other hand, puts us into many different dimensions of life at the same time; in a way we accommodate God and the whole world within us. We weep with those who weep at the same time as we rejoice with those who rejoice. We fear (I’ve just been interrupt-ed again by siren, so I’m sitting outdoors enjoying the sun] for our lives, but at the same time we must think thoughts that are much more important to us than our lives …
Life isn’t pushed back into a single dimension, but is kept multidimensional, polyphonic. What a liberation it is to be able to think and to hold on to these many dimensions of life in our thoughts … One has to dislodge people from their one-track thinking – as it were, in “preparation for” or “ena-bling” faith, though in truth it is only faith that makes multidimensional life possible and so allows us to celebrate Pentecost even this year, in spite of the air raids.

June 8, 1944, Dietrich to Eberhard (DBW volume 8,424)
We had put off seeing each other again from Christmas to Easter to Pentecost, and one holiday after another passed by. But the next holiday will certainly belong to us; I no longer have any doubt about that.

CONTEXT

Dietrich Bonhoeffer learned from his family how to organize celebrations. So his mother is con-vinced that he will also succeed „in the loneliness“ of the prison cell in Tegel: „For you are, of course, not alone. You do know that all of us are gathered around you in our thoughts. Together let us remember the old Pentecost hymn that says: “Descend on us in fullness, until comfort may return, and all harm be overcome.” This ‚knowledge‘ also accompanies him in his last poem „By Powers of Good“.

The festivals in the church year not only structure church liturgy; for Bonhoeffer they are also sta-tions in his personal hope for release. After almost a year in prison, he wants to postpone his hope of returning home and seeing his friend Eberhard Bethge not “any further than Pentecost“.

A „blessed Pentecost“, he wishes Eberhard and Renate Bethge in his letter of May 24,1944, that it will be a „rock of memory“ for the coming weeks and months. At the same time, he reminds Eberhard of Pentecost mornings in Finkenwalde.

„One learns gradually to put life-threatening things in proportion.“ – this idea seems surprisingly topical to us in times of the pandemic. Even if, unlike Bonhoeffer in custody, we do not have to count on being exposed to the threat. But what does Bonhoeffer do with this thought? He uses the term „proportion“, which sounds „actually too negative, too formal or artificial ore stoic“, to con-structively: „We just take in these daily threats as part of the totality of our lives.”
Bonhoeffer notices in the prison “how few people there are who can harbor many different things at the same time” In contrast, he sets the Christian faith in which „life isn’t pushed back into a sin-gle dimension“, “ but is kept multidimensional, polyphonic“.

“In a way we accommodate God and the whole world within us.” And: “One has to dislodge people from their one-track thinking” — for me these two sentences illuminate Dietrich Bonhoeffer’s life and work in the light of the events of Pentecost. And in prayer and action they point the way to a non-religious understanding of the Christian message.

When God creates his world anew, the Church becomes then wide,
his power works spiritually, prepares us for the fight
for peace and justice in the world, let kindness, understanding be,
for unity-diversity, for miracles that we will see. (G.B., 2015)

So viel Widerstandskraft ! Bonhoeffer lesen in kritischen Zeiten (11) Exaudi, 24. Mai 2020

Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus
www.bonhoeffer-haus-berlin.de


EXAUDI: Aaronskirche gegen Mosekirche – der ewige Konflikt in der Kirche Christi


TEXT
DBW 12,459 ff. (Kommasetzung korrigiert, Fortführungen im Original: ∙∙∙, Auslassungen …)
Predigt zu 2. Mose 32: „Das goldene Kalb“
28.5.1933, Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche (KWG) Vertretung für G. Jacobi, wie Himmelfahrt)

Der Priester gegen den Propheten, die Weltkirche gegen die Kirche des Glaubens, Aaronskir-che gegen Mosekirche – von diesem ewigen Konflikt in der Kirche Christi und von seiner Lö-sung wollen wir heute hören.

Mose und Aaron, die beiden Brüder, vom selben Stamm, vom selben Blut, aus derselben Ge-schichte, ein Stück Weges Seite an Seite gehend – dann auseinander gerissen – Mose, der erste Prophet, Aaron der erste Priester, Mose, der von Gott Herausgerufene, ohne Ansehen der Person Erwählte, der Mann mit der schweren Zunge, der Knecht Gottes, der allein im Hö-ren auf das Wort seines Herrn lebt – Aaron, der Mann mit dem Purpurrock und der heiligen Krone, der geweihte und geheiligte Priester, der dem Volk seinen Gottesdienst erhalten muss. Und nun in unserer Geschichte Mose, allein hoch oben auf dem Berg des Schreckens bei dem lebendigen Gott, zwischen Leben und Tod in Blitz und Donner, berufen, um das Gesetz des Bundes Gottes mit seinem Volk in Empfang zu nehmen – dort unten im Tal das Volk Israel mit seinem Priester im Purpurrock, opfernd und gottferne.

Warum müssen Mose und Aaron widereinander sein? Warum können sie nicht im selben Dienst ne-ben einander stehen? Warum muss Mosekirche und Aaronskirche, Kirche des Wortes und Weltkir-che, immer wieder auseinanderbrechen? Die Antwort auf diese Frage steht in unserem Text.

Mose ist von Gott auf den Berg gerufen für sein Volk. Dort oben will Gott mit ihm reden. Die Kinder Israel wissen das, sie wissen, dass Mose für sie dort oben steht, kämpft, betet, leidet … Aber die Aaronskirche, die Kirche der Welt, kann nicht warten, sie ist ungeduldig. Wo ist Mose geblieben? Warum kommt er nicht zurück? Wir sehen ihn nicht mehr. Wo ist er mit seinem Gott? „Wir wissen nicht, was diesem Mose widerfahren ist ∙∙∙“ Mag sein, er ist nicht mehr, er ist tot. So fragt die Aaronskirche zu allen Zeiten nach der Kirche des Wortes. „Wir sehen sie nicht, wo sind ihre Leistungen, ihre Taten ∙∙∙ Gewiss, sie ist tot!“ …

Gewiss, die Kirche des Wortes ist auch heute wieder auf dem Sinai und hält unter Blitz und Donnern, in Angst und Zittern dem Wort Gottes stand, wartet, glaubt, betet, kämpft – für wen? – für die Kirche Aarons, für die Kirche da unten im Tal, für die Weltkirche. Das Nichtwarten-können der Weltkirche, ihre Ungeduld, das ist die erste Stufe ihres Zusammenpralles mit der Kirche des Wortes von jeher gewesen und wird es bleiben.
„Wir wissen nicht, was diesem Mose widerfahren ist. Auf, Aaron, mache du uns Götter, die vor uns hergehen.“ Das ist der zweite Schritt, der dem ersten unmittelbar folgt. Die Weltkirche, die Kirche der Priester, will etwas sehen. Sie will nun nicht mehr warten. Sie will selbst ans Werk gehen, selbst handeln, selbst tun, was Gott und der Prophet nicht tun. Wozu ist der Priester da? Wozu ist die Kirche da, wenn sie aufs Warten gestellt sind …

Es ist wirklich gar kein so übles Anliegen, das hier vorgebracht wird; es ist sogar ein frommes Anliegen. Man sagt ja nicht: fort mit den Göttern, sondern: wir brauchen Götter, eine Religion, schaff uns welche. Man jagt auch den Priester nicht davon, sondern man sagt ihm: versieh deinen Dienst. Erhalte dem Volk die Religion, gib ihm Gottesdienste. Sie wollen wirklich eine Kirche mit Göttern und Priestern und Religion bleiben, aber eine Aaronskirche – ohne Gott …

Wir hören sagen: Die Massen seien nicht so opferbereit. Aber die kennen die Welt nicht, die so sagen! Zu jedem Opfer ist das Menschengeschlecht bereit, in dem es sich selber feiern, sein eigenes Werk anbeten darf. Zu jedem Opfer ist die Weltkirche, die Aaronskirche, bereit, wenn sie sich ihren Gott selbst machen darf. Vor dem Gott, den wir machen nach unserem Wohlge-fallen, sinkt das Menschengeschlecht und die Weltkirche freudig lächelnd auf die Knie. Aber Gott findet wenig Opferbereitschaft. …Da muss zur Verherrlichung des Götzen alles herhalten, da wirft jeder nach seinem Belieben und Vermögen eigene Ideale in den Schmelztiegel – und dann beginnt der Rausch, die Weltkirche feiert ihren Triumph, der Priester hat seine Macht erwiesen, nun steht er selbst in der Mitte in seinem Purpurrock und [mit] seiner heiligen Krone und betet das Geschöpf seiner Hand an ∙∙∙ und um ihn herum fällt das Volk selig nieder und blickt auf den Götzen, den sie aus eigener Kraft, aus eigenem Opfer bereitet haben. Wer wollte da abseits stehen, bei diesem frommen Jubel, Taumel ohnegleichen, bei dieser Großtat menschlichen Wollens und Könnens. Die Weltkirche hat nun ihren Gott ∙∙∙ Kommt, opfert ihm, freut euch, spielt, esst, trinkt, tanzt, jubelt, begeistert euch. Ihr habt wieder einen Gott ∙∙∙ Das sind die Götter, Israel, die dich aus der Knechtschaft geführt haben. Kommt, seht, betet an!

Aber auf dem Sinai grollt es. Da zeigt Gott dem Mose sein treuloses Volk. Und Mose zittert für sein Volk und steigt eilends vom Berge … da steht er unter ihnen, der unerwartete Prophet – hoch schwingt er in den Händen die Tafeln des Gesetzes und sie alle müssen es sehen, die von Gottes Hand eingegrabene Schrift: Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst nicht andere Götter haben neben mir! Stumme Angst, Entsetzen ergreift die Weltkirche bei diesem Anblick, der Rausch ist aus – der lebendige Gott ist unter sie getreten, stürmt gegen sie an. Was wird ge-schehen? Da – ein Augenblick ohnegleichen, ein furchtbarer Augenblick – und die Tafeln des Gesetzes liegen zerschmettert an dem Götzenbild und der Götze selbst ist zerschlagen und verbrannt. Das ist das Ende der Weltkirche. Gott hat es angerichtet. Gott ist Herr geblieben. Herr, erbarme dich ∙∙∙

Priesterkirche – Kirche des Wortes. Aaronskirche – Mosekirche – dieser geschichtliche Zu-sammenstoß am Fuße des Sinai, das Ende der Weltkirche und die Erscheinung des Wortes Gottes wiederholt sich in unserer Kirche Tag für Tag, Sonntag für Sonntag. Als Weltkirche, die nicht warten, die nicht vom Unsichtbaren leben will, als Kirche die sich selbst ihre Götter macht, als Kirche die einen Gott haben will, wie er ihr gefällt und die nicht danach fragen will, wie sie Gott gefalle, als Kirche, die zu jedem Opfer bereit ist, wo es um Götzentum, um Ver-götzung menschlicher Gedanken und Werte geht – als Kirche, die sich selbst göttliche Voll-macht im Priestertum anmaßt – als solche Kirche kommen wir immer wieder zum Gottesdienst zusammen. Und als Kirche, deren Götze zerschlagen und zertrümmert am Boden liegt, als Kirche, die von neuem hören muss: ich bin der Herr dein Gott ∙∙∙ als Kirche, die von diesem Wort getroffen zusammenbricht, als Kirche des Mose, Kirche des Wortes – sollten wir dann wieder auseinandergehen.

Aber es bleibt nicht bei dem Bruch. Noch einmal steigt Mose auf den Berg. Diesmal um für sein Volk zu bitten. Sich selbst bringt er zum Opfer … Mose konnte die Versöhnung nicht schaffen. Wer schafft hier Versöhnung? Kein anderer als der Priester und Prophet in einem ist der Mann mit dem Purpurmantel und der Dornenkrone, der fürbittend für uns vor Gott steht, der gekreuzigte Sohn des Vaters.
Hier in seinem Kreuz hat alle Vergötzung ein Ende. Hier ist das ganze Menschengeschlecht, hier ist die ganze Kirche, gerichtet und begnadigt. Hier ist der Gott ganz Gott, der keine ande-ren Götter neben sich duldet, aber nun auch ganz Gott, indem er vergibt ohne Grenzen. Auf das Kreuz zeigen wir als die Kirche, die immer Mose- und Aaronskirche zugleich ist, auf das Kreuz zeigen wir und sagen: sieh, Israel, das ist dein Gott, der dich aus der Knechtschaft ge-führt hat und wieder führen wird. Kommt, glaubt, betet an. Amen.

KONTEXT

In seiner Auslegung der biblischen Geschichte vom „Goldenen Kalb“ wendet sich Dietrich Bon-hoeffer – ohne Parteien, Programme und Namen zu nennen – grundsätzlich und aktuell gegen die „Vergötzung menschlicher Gedanken und Werte“. Wie früh und klar er die Gefahr für die Kirche und die Welt erkannte, während andere noch im Rausch und Triumph der nationalsozia-listischen Revolution eine Chance für die Verwirklichung ‚frommer Anliegen‘ sahen, das be-weist seine Predigt am 24. Mai 1933 in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche.

Was war seit der Machtübergabe an den Reichskanzler Adolf Hitler am 30. Januar bereits in der Politik und in der Kirche geschehen?

Hitler nutzte die inszenierte Aufbruchstimmung („soziale Revolution“, nationale ‚Befreiung‘ vom Versailler Vertrag, religiöse Erhebung im „Schmelztiegel“ völkischer Begeisterung), um im Früh-jahr 1933 das Tempo zu forcieren bei der Umwandlung des Staats der Weimarer Reichsverfas-sung in einen Terrorstaat. Dies geschah innerhalb von drei Monaten, ‚Schlag auf Schlag‘:

  • 1./8.Februar Auflösung des Reichstags und der Gemeindeversammlungen in Preußen
  • 4. Februar Verbot politischer Versammlungen („Verordnung zum Schutz des deutschen Volkes“)
  • Februar Ernennung von SS- und SA-Mitgliedern zu bewaffneten Hilfspolizisten
  • Februar Aufhebung demokratischer Grundrechte durch die Reichstagsbrand-Verordnung
  • März Errichtung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda (11. März)
  • März Errichtung des 1. Konzentrationslagers in Dachau
  • März „Tag von Potsdam“, Eröffnung des Reichstags nach der Neuwahl vom 12. März
  • März Ausschaltung des Reichstags durch das „Ermächtigungsgesetz“
  • März „Heimtückegesetz“ (Verordnung des Reichspräsidenten)
  • 1. April Boykott jüdischer Geschäfte und Einrichtungen
  • 7. April „Gesetz zur Reinhaltung des Berufsbeamtentums“ mit „Arierparagraphen“
  • April Gründung der Gestapo
  • 1. Mai nationalsozialistische Inszenierung am 1. Mai auf dem Tempelhofer Feld
  • 2. Mai Zerschlagung der Gewerkschaften
  • 6. Mai Entlassung jüdischer Honorarprofessoren und Notare
  • Mai Bücherverbrennung
    Die nationalsozialistische Strategie beruhte auf Manipulation der öffentlichen Medien, Entsolida-risierung, Einschüchterung, Inhaftierung und Mord und der Propagierung der „Volksgemein-schaft“, mit dem Ausschluss von rasseideologisch Verfolgten. Provokation und Gesetzesbruch dienten als Test; bei ausbleibendem Protest wurden die Gesetze im Sinn der nationalsozialisti-schen Politik umgeschrieben. Protest von leitenden kirchlichen Verantwortlichen blieb aus. Der Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union erklärte am 11.April in der Osterbotschaft: „Mit allen evangelischen Glaubensgenossen wissen wir uns eins in der Freude über den Aufbruch der tiefsten Kräfte unserer Nation zu vaterländischem Bewusstsein echter Volksgemeinschaft und religiöser Erneuerung.“ Die Tafeln der Zehn Gebote blieben heil.

„Wer wollte da abseits stehen, bei diesem frommen Trubel, Taumel ohnegleichen, bei dieser Großtat menschlichen Wollens und Können. Die Weltkirche hat nun ihren Gott ∙∙∙ Kommt, opfert ihm, freut euch, spielt, esst, trinkt, tanzt, jubelt, begeistert euch. Ihr habt wieder einen Gott ∙∙∙ Das sind die Götter, Israel, die dich aus der Knechtschaft geführt haben. Kommt, seht, betet an!“

Die Vertreter der Kirchen waren in dieser Zeit mit sich selbst beschäftigt, die Katholische Kirche mit den Verhandlungen für das Reichskonkordat (Unterzeichnung am 20. Juli 1933), die Evan-gelische Kirche mit der Abwehr der Gleichschaltungspolitik der „Deutschen Christen“. Bei ihrer Reichstagung am 3./4. April forderten diese die Übernahme des Führerprinzips, des Arierpara-graphen und die Beseitigung der Landeskirchen und der konfessionellen Unterschiede durch die Schaffung einer Reichskirche.
Mit der Absicht, sich das Gesetz des Handelns nicht aus der Hand nehmen zu lassen, arbeite-ten die Leitungsorgane der Evangelischen Kirche daran, die Zusammenarbeit der Landeskir-chen und Konfessionen im Kirchenbund mit der Verfassung der Reichskirche neu zu regeln. Dabei kam zum inneren Kirchenstreit die Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Kirche. Auf die Beratungen wirkte Hitler durch die Beauftragung Ludwig Müllers als seinem Bevoll-mächtigten für die Angelegenheiten der evangelischen Kirche ein. Die in der Auseinanderset-zung mit den „Deutschen Christen“ am 9. Mai sich bildende „Jungreformatorische Bewegung“ drängte darauf, Friedrich v. Bodelschwingh als Reichsbischof gegen Müller durchzusetzen. Am 27. Mai erfolgte mehrheitlich seine Designation durch die Vertreter der Landeskirche.

Bereits einen Monat vor Karl Barths Weckruf „Theologische Existenz heute!“ (25. Juni 1933, veröffentlicht am 1. Juli 1933), der die Umkehr vom kirchenpolitischen Aktivismus zur geistli-chen Besinnung („Theologie und nur Theologie zu treiben“) fordert, spricht Dietrich Bonhoeffer in seiner Exaudi-Predigt (s.o.) vom „ewigen Konflikt“ „der Aaronskirche gegen Mosekirche“, wobei anzunehmen ist, dass er den augenblicklichen Konflikt zwischen der „Weltkirche“ gegen die „Kirche des Glaubens“ (und vielleicht auch die Situation in der KWG) dabei im Auge hat.

Mit soziologischem Blick beschreibt Bonhoeffer die Rollenverteilung zwischen den beiden Brü-dern: Mose ist der Prophet, der auf dem Sinai Gottes Wort hört: „Er hält dem Wort Gottes stand, wartet, glaubt, betet, kämpft – für wen? – für die Kirche Aarons.“ Aaron ist der Priester. Das Volk hat ein „frommes Anliegen … man sagt ihm: versieh deinen Dienst. Erhalte dem Volk die Religion, gib ihm Gottesdienste.“

Merkwürdig, dass Aaron keinen Widerstand gegen diese Rollenzumutung zeigt. Er setzt sich vielmehr an die Spitze der Bewegung, des Rauschs und Triumphs, der Vergötzung des eige-nen Werks, der „Aaronskirche – ohne Gott“. Es kommt, wie es kommen muss, zum Zusam-menstoß zwischen der Aarons- und der Mosekirche am Fuß des Sinais. Mose führt allen den Bruch des 1. Gebots vor Augen, indem er im Zorn die Tafeln zerbricht. „Aber es bleibt nicht beim Bruch. Noch einmal steigt Mose auf den Berg. Diesmal, um für sein Volk zu bitten. Sein Widerstand geht so weit, dass er sich Gottes Sühnehandeln in den Weg stellen und sich selbst zum Opfer bringen will. In seiner Bereitschaft, als Märtyrer fürbittend für sein Volk sein Leben zu lassen, ist Mose Prophet und Priester zugleich.

Bonhoeffer steht in der christlichen Tradition des Verständnisses, das Mose als den Künder des Gesetzes und des Bundes Gottes mit seinem Volk und dessen Anführer bei der Befreiung aus der Sklaverei zum Gegenüber und Vorläufer Jesu erklärt: „Mose konnte die Versöhnung nicht schaffen. Wer schafft hier Versöhnung? Kein anderer als der Priester und Prophet in einem ist der Mann mit dem Purpurmantel und der Dornenkrone, der fürbittend für uns vor Gott steht, der gekreuzigte Sohn des Vaters“ Der Purpurmantel, Symbol für die Herrlichkeit des Priester-tums in Aaronskirche, wird zum verhöhnten Zeichen des Kreuzestods Jesu.

Im christlich-jüdischen Dialog ist für die Verhältnisbestimmung zwischen dem Bund Mose und
der Kirche Christi entscheidend, dass die Kirche sich nicht an die Stelle des ersten Bundes setzt und Israel, das Volk Gottes, nicht enterbt. In der synoptischen Erzählung der Verklärung Jesu (Markus 9-13, Matthäus 17,1-13; Lukas 9,28-36) erscheinen Mose und Elia und reden mit Jesus.

Das Gedicht „Der Tod des Mose“, schrieb Dietrich Bonhoeffer vermutlich, nachdem durch den „Zossener Aktenfund“ vom 22. September 1944 seine Beteiligung an den Attentatsplänen entdeckt worden war. Vom Tod bedroht kommt ihm „Mose, der Mann Gottes und Prophet“, sehr nahe:
„Sinkend, Gott, in Deine Ewigkeiten seh‘ mein Volk ich in die Freiheit schreiten.
Der die Sünde straft und gern vergibt, Gott ich habe dieses Volk geliebt.“

Auch wenn es keinen Beleg dafür gibt, dass Martin Luther King Jr. Dietrich Bonhoeffer gelesen hat („Was Martin Luther King Jr. informed by Dietrich Bonhoeffer?“, Video-clip von Reggie Williams, 2013, https://www.youtube.com/watch?v=K3CuaZL5xhE) erinnert seine Rede vom 28. August 1963 beim ‚Marsch auf Washington‘ „I have a Dream“ an Bonhoeffers Mose „auf dem Gipfel des Gebirges“.

Wie gehören politischer Widerstand und seelische Widerstandskraft zusammen? Was können wir heute aus der Geschichte von Mose und Aaron und Bonhoeffers Auslegung lernen?
Mitten in der Krise warten zu können, standzuhalten, hinzuhören und sich neu am 1. Gebot zu orientieren – das wäre m. E. im Sinn der Mosekirche. Es ist der lange Weg der Befreiung von – nicht durch die Krise geschaffenen, aber durch sie neu sichtbar gewordenen – angeblich alter-nativlosen Bedingungen und ungerechten Strukturen, die solidarisches Leben behindern.

„Auf das Kreuz zeigen wir als die Kirche, die immer Mose- und Aaronskirche zugleich ist, auf das Kreuz zeigen wir und sagen: sieh, Israel, das ist dein Gott, der dich aus der Knechtschaft geführt hat und wieder führen wird. Kommt, glaubt, betet an.“ (Dietrich Bonhoeffer)

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Memorial and Place of Encounter Bonhoeffer-Haus Berlin
www.bonhoeffer-haus-berlin.de

So much strength to resist! Read Bonhoeffer in critical time (11)
Exaudi, May 24, 2020

Since the beginning of May, small groups of up to 5 people can visit the Bonhoeffer House. This corresponds to the state regulations for museums and memorials. In addition, we keep the house “open” through the weekly blogs, in which we put Bonhoeffer texts in the historical and current context for each Sunday through Trinitatis Sunday with the aspect: »How do political resistance and mental strength to resist (resilience) belong together?« In these days, when op-ponents of vaccination, supporters of conspiracy theories and other anti-democrat activists claim the term “resistance” for themselves, it is all the more important–in complete contradic-tion to this–to perceive Bonhoeffer’s life and thinking in resistance as help for strengthening and clarifying.

With warm regards and good wishes
Gottfried Brezger, chairman


EXAUDI: The Church of Aaron against the Church of Moses
– the Eternal Conflict in the Church of Christ


TEXT

DBW 12.472 ff., Sermon on Exodus 32:1-8, 15-16- 18-20-30-35 (The Golden Calf)
May 28, 1933, Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Berlin, on behalf of Gerhard Jacobi

The priest against the prophet, the church of the world against the church of faith, the church of Aaron against the church of Moses – this eternal conflict in the church of Christ and its resolu-tion, is what we are going to hear about today.

Moses and Aaron, two brothers from the same tribe, with the same blood and the same history, went part of the way side by side and then were torn apart – Moses, the first prophet, and Aa-ron, the first priest; Moses, the one called out by God, the one chosen without regard for his person, the man who was slow of tongue, the servant of God who lived only by listening to the word of his Lord; Aaron, the man with the purple robe and the sacred crown, the priest who had been consecrated and sanctified, who was supposed to keep the people worshipping God. And now in our story, we have Moses alone, way up on the terrifying mountain with the living god, between life and death with the thunder and lightning, called to receive the law of God’s cove-nant with God’s people – and down in the valley the Israelites with their priest in his purple robe, making sacrifices but estranged from God.

Why did Moses and Aaron have to go against each other? Why couldn’t they stand side by side and serve God together? Why are the church of Moses and the church of Aaron, the church of the Word and the church of the world, always breaking apart? The answer to this question is found in our text.

Moses is called by God to go up the mountain on behalf of his people. God wants to talk with him up there. The children of Israel know this; they know that Moses is standing up there on their behalf struggling, praying, suffering … But the church of Aaron, the worldly church, can-not wait; it is impatient. Where is Moses anyway? Why doesn’t he come back? We can’t see him anymore. Where is he with his God? “We do not know what has become of him:” Maybe he isn’t there at all anymore – maybe he’s dead …

Surely the church of the Word is once again on Mount Sinai today, and in fear and trembling, amid the thunder and lightning, stands against the Word of God, waiting, believing, praying, struggling – and for whom? For the church of Aaron, for he church down there in the valley, for the church of the world. When the worldly church gets impatient and cannot wait any longer, that is the first step on its collision course with the church of the Word. It was always so and will always be so.

“We don’t know what has become of this Moses. Con on, Aaron, you make us some gods go before us.” That is the second step that follows directly after the first. The church of the world, the church of the priests, wants something it can see. It doesn’t want to wait any longer. It wants to go ahead and do something itself, take action itself, since God and the prophet aren’t doing so. What is the priest there for anyway? What is the church doing there, if it I keeping them waiting?

… It’s really not such a bad request that is being made here; actually, it’s a pious request. They aren’t saying, away with all gods, but rather, we need gods, we need religion, make us some. They aren’t chasing the priest away either, but saying, do your job. Keep the people’s religion alive, give them worship services. They really want to remain a church, with gods and priests and religion, but a church of Aaron – without God.

We hear it said that the masses aren’t so ready to make sacrifices. But those who say so don’t know the world very well! The human race is ready to make any sacrifice that allows it to cele-brate itself, to worship its own accomplishments. The worldly church, the church of Aaron, is ready for any sacrifice it it can make its own god. Before the god that we have fashioned as it pleases us, the human race and the worldly church are happy to smile and kneel down. It is God who finds few prepared to sacrifice … Everything must be spent on making the idol more glorious, so they all throw in whatever they can and want, each according to his or her own ideals, into the melting pot. Then the frenzy begins; the worldly church celebrates its triumph. The priest has demonstrated his power, so there he stands in the middle in his purple robe and [with] his sacred crown, worshipping the work of his own hands ∙∙∙ and all around the people blissfully fall down and gaze at the idol they have created by their own might and from their own sacrifices. Who would stand aside from this pious jubilation, this dizziness beyond com-pare, this great deed accomplished by human will and ability? Now the worldly has its god ∙∙∙ so come and sacrifice to it.; be happy and play, eat, drink, dance, rejoice, get excited! You have a do again ∙∙∙ These, Israel, are the gods who brought you up out of slavery. Come and see, and worship!

But there is rumbling on Sinai. God is showing Moses his faithless people. And Moses trembles for his people and hastily climbs down the mountain…. Then he is standing among them, the unexpected prophet, brandishing high in his hands the tablets of the law, so that everyone must see the writing engraved on them by the hand of God: “I am the Lord your God, you shall have no other gods before me!” The worldly church is struck dumb with fear and horror at the sight; the frenzy is over – the living God has appeared in the midst of it and overwhelmed it. Then, in one incomparable and terrifying moment, the tablets of the law lie shattered next to the idola-trous image, and the idol itself is shattered and burnt up. That is the end of the worldly church, and it is God who has done it. God is still the Lord. Lord, have mercy ∙∙∙

Priestly church and church of the Word, church of Aaron and church of Moses – this historic colli-sion at the foot of Mount Sinai, the end of the worldly church and the appearance of the Word of God, is repeated in or church day after day, Sunday after Sunday. As the worldly church, which doesn’t want to wait, which don’t want to live by something unseen; as a church that makes its own gods, that wants to have a god that pleases it rather than asking whether it is itself pleasing to God; ass a church that wants to do for itself whatever God does not do; as a church that is ready to make any sacrifice for the sake of idolatry, the glorification of human ideas and values – as a church which presumes divine authority for itself through its priesthood – it is such a church that we come again and again to worship. And it is as a church whose idol lies shattered to pieces on the floor, as a church that has to hear anew, “I am the Lord your God” ∙∙∙ a a church that is struck by this word – it is as the church of Moses, the church of the Word, that we should depart from one another .

But the matter did not end in brokenness. Once again Moses climbed the mountain. This time it was in order to pray for his people. He offered himself as a sacrifice ∙∙∙ Moses could not bring about reconciliation. Who will bring about reconciliation here? None other than he who is both priest and prophet, the man in the purple cloak and the crown of thorns who stands before God and makes intercession for us, the crucified Son of the Father.
Here on is cross, all idolatry comes to an end. Here the whole human race, the whole church, is judged and pardoned. Here, God is wholly God, who does not tolerate any other gods but himself, but who is also wholly God in boundless forgiveness. We point to the cross as the church that is always both church of Moses and church of Aaron; we point to the cross and say: “See, O Israel, that is your God who brought you up out of slavery, and who will lead you again. Come, believe and worship. Amen.

CONTEXT

In his interpretation of the biblical story of the „golden calf“, Dietrich Bonhoeffer – without nam-ing parties, programs and names – fundamentally and currently opposes the idolization of hu-man thoughts and values. How early and clearly he recognized the danger to the Church and the world, while others still saw the frenzy and triumph of the National Socialist Revolution as an opportunity for the realization of a ‚pious request’, is evident by his sermon on May 24, 1933 in Berlin Kaiser Wilhelm Memorial Church.

What had happened already in politics and in the church since the handover of power to the Chancellor Adolf Hitler on January 30?

Hitler used the staged euphoria („social revolution“, national ‚liberation‘ from the Versailles Trea-ty, religious elevation in the „melting pot“ of national enthusiasm) to force the speed in the spring of 1933 when the NSDAP converted the state of the Weimar Reich constitution into a terrorist state. What had happened up to that point ,beat by beat’?

  • February 1/8, Dissolution of the Reichstag and the municipal assemblies in Prussia
  • February 4, Ban on political meetings („Ordinance for the Protection of the German People“)
  • February 22, SS and SA members are appointed armed auxiliary police officers
  • February 28, Abolition of basic democratic rights by the ‘Reichstag fire ordinance’
  • March 11, Establishment of the Reich Ministry for ‘Popular Enlightenment and Propaganda’
  • March 20, Establishment of the 1st concentration camp in Dachau
  • March 21, ‘Day of Potsdam’, opening of the Reichstag after the national election of March 12
  • March 24, Reichstag elimination through the “Enabling Act”
  • March 23, „Heimtückegesetz“ (Ordinance of the Reich President against treachery)
  • April 1 Boycott of Jewish shops and institutions
  • April 7, ‘Law to keep professional civil servants clean’ with the ‘Aryan paragraph’
  • April 26, Foundation of the Gestapo
  • May 1, National Socialist staging on May 1st at Tempelhofer Feld
  • May 2, Union busted
  • May 6, Dismissal of Jewish honorary professors and notaries
  • May 10, Book burning

The National Socialist strategy was based on manipulation of the public media, destruction of solidarity, intimidation, imprisonment and murder and the propagation of the ‘national communi-ty’ (‘Volksgemeinschaft’) with the exclusion of those persecuted by racial ideology. Provocation and breaking the law served as a test; if there was no protest, the laws were converted in the sense of National Socialist politics. There was no protest from leading church leaders. The Up-per Church Council of the Evangelical Church of the Old Prussian Union declared on April 11 in the Easter message: „With all Protestant fellow believers we know one thing in the joy of the deepest strength of our nation to the patriotic awareness of genuine national community and religious renewal.“ The tables of the Ten Commandments were not broken, as was done by Moses, but remained intact.

„Who would stand aside from this pious jubilation, this dizziness beyond compare, this great deed accomplished by human will and ability?

During this time, the representatives of the churches were concerned with themselves, the Catholic Church with the negotiations for the Reich Concordat (signed on July 20, 1933), the Evangelical Church with the defense against the forced alignment (‘Gleichschaltung’) of the „German Christians“. At their Reichstagung on 3./4. April the ‘German Christians’ called for the adoption of the Fuhrer principle, the ‘Aryan paragraph’ and the elimination of the regional churches and denominational diversity by creating the ‘Reich Church’ (‘Reichskirche’).

With the intention of not letting the law of action be taken out of hand, the governing bodies of the Evangelical Church worked to regulate the cooperation between the regional churches and denominations in the church alliance with the constitution of the ‘Reich Church’. In addition to internal church struggle the church’s right to self-determination was damaged by state com-missioners and Hitler’s appointing Ludwig Müller as his representative for the affairs of the Evangelical Church.
The ‘Young Reformation Movement’ that formed in confrontation with the ‘German Christians’ on May 9, campaigned against Müller for Friedrich v. Bodelschwingh as the first Reich Bishop. On May 27, his designation was carried out by the majority of representatives of the regional churches.

Already a month before Karl Barth’s wake-up call „Theological Existence Today!“ (June 25, 1933, published on July 1, 1933), which calls for the return from church political activism to spiritual reflection („Theology and only theology to do“), Dietrich Bonhoeffer speaks in his Ex-audi sermon (see above) about the „eternal conflict“ „of the Aaronskirche against Mosekirche“, whereby it can be assumed that he focuses on the actual conflict between the „Weltkirche“ against the „Church of Faith“ (may be also in Kaiser Wilhelm Memorial Church).

With a sociological view, Bonhoeffer describes the division of roles between the two brothers: “Moses, the first prophet, and Aaron, the first priest; Moses, the one called out by God, the one chosen without regard for his person, the man who was slow of tongue, the servant of God who lived only by listening to the word of his Lord; Aaron, the man with the purple robe and the sacred crown, the priest who had been consecrated and sanctified, who was supposed to keep the people worshipping „

Strange that Aaron shows no resistance to this role imposition. Rather, he is at the forefront of movement, frenzy and triumph, the glorification of his own work, the „Aaron’s Church – without God“. As it has to come, there is a collision between the Aaron’s and Moses Church at the foot of the Sinai. Moses makes everyone aware of the breach of the first commandment by break-ing the boards in anger. “But the matter did not end in brokenness. Once again Moses climbed the mountain. This time it was in order to pray for his people.” His resistance goes so far that he wants to prevent God from his punishment; instead of this he offers himself as a sacrifice. In his willingness to intercede for his people as a martyr, Moses is both a prophet and a priest.

Bonhoeffer is in the Christian tradition of understanding, which Moses, as the representative of the law and covenant of God with his people and his leader in the liberation from slavery, de-clares to be Jesus‘ counterpart and forerunner: “Moses could not bring about reconciliation. Who will bring about reconciliation here? None other than he who is both priest and prophet, the man in the purple cloak and the crown of thorns who stands before God and makes interces-sion for us, the crucified Son of the Father.”

In the Christian-Jewish dialogue, it is the crucial point for the relationship between the covenant of Moses and the Church of Christ that the Church does not replace and disinherit the first covenant. In the synoptic narrative of the Transfiguration of Jesus (Mark 9-13, Matthew 17: 1-13; Luke 9: 28-36), Moses and Elijah appear and speak to Jesus.

Dietrich Bonhoeffer probably wrote the poem „The Death of Moses“ after his involvement in the assassination plans had been discovered on September 22, 1944, by the ‘Zossen File Find“. Threatened by death, “the prophet Moses, man of God” comes very close to him:
„They stride into freedom, God, I see, as I sink to your eternity.“ (DBW volume 8,540)

Even if there is no evidence that Martin Luther King Jr. read Dietrich Bonhoeffer („What Martin Luther King Jr. informed by Dietrich Bonhoeffer?“, Video clip by Reggie Willi-ams, 2013, https: // www. youtube.com/watch?v=K3CuaZL5xhE) King’s speech “I have a Dream”, during the ‘March on Washington’ on August 28, 1963, reminds of Bonhoeffer’s Moses “on the mountain peak”.

How do political resistance and mental strength to resist (resilience) belong together? What can we learn today from the story of Moses and Aaron and Bonhoeffer’s interpretation? To be able to wait in the middle of the crisis, to stand, to listen and to re-orientate on the first command-ment – that would be in my opinion in the sense of Moses church. It is the long road to liberation from unjust relationships and structures. As the current crisis shows, dependencies that de-structs solidarity are dangerous but not without alternatives.

We point to the cross as the church that is always both church of Moses and church of Aaron; we point to the cross and say: “See, O Israel, that is your God who brought you up out of slav-ery, and who will lead you again.”

So viel Widerstandskraft ! Bonhoeffer lesen in kritischen Zeiten (10) – Christi Himmelfahrt, 21. Mai 2020

Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus

www.bonhoeffer-haus-berlin.de


HIMMELFAHRT: die ganze Welt mit sich hinaufgerissen zum Leben und zum Licht


TEXTE

1

DBW 11,444 ff. Predigt zu Kolosser 3,1-4,

19.6.1932 (4.S. nach Trin.), KWG, in Vertretung von G. Jacobi

Wir sind ja gar nicht alleingelassen in unserer Verlorenheit, sondern da ist einer, der hat die Grenze, die uns vom Schöpfer und vom wahren Leben trennt, überschritten, ist hereingebrochen in unseren Todesbezirk, hat unsere Leben und Sterben durchkostet bis in seine tiefste Tiefe und ist doch hindurchgebrochen durch diesen Tod, hindurch zum ewigen Vater, zum ewigen Leben, da er sitzet zur rechten Hand Gottes. Und hat die ganze Welt mit sich hinaufgerissen zum Leben und zum Licht, hat den Tod verschlungen in den Sieg, hat unser ganzes Gefängnis gefangen geführt und uns die Freiheit gebracht, die herrliche Freiheit der Kinder Gottes.“

2

DBW 12,455 ff., Predigt zu 1. Petrus 1,7-9, Himmelfahrt, KWG (Vertretung für Jacobi), 25.5.1933

Christi Himmelfahrt steht unter einem doppelten Zeichen. Sie ist der Abschied Jesu von seinen Jüngern, von der Welt, die er so liebt … Nun ist das Ende seiner Erdenzeit da. Ein letztes Stück Weg legen sie miteinander zurück – dann ist der letzte Augenblick gekommen, er legt segnend seine Hand auf sie, und dann ist er ihren Blicken entnommen. Sie sind allein. Der Vorhang ist gefallen. Er ist von der argen Welt zu seinem himmlischen Vater eingegangen. Herr, erbarme dich unser. – Freue dich, oh Christenheit, er ist zum Vater heimgekehrt, er bereitet dir die Wohnung, die Heimat in seinem Reich, er wird dich heimholen zu seiner Zeit. Warte nur … und freue dich. Er wird wiederkommen …

Luther hat einmal ungefähr so gesagt: Da er auf Erden war, war er uns fern, seit er im Himmel ist, ist er uns nah. [Luthers Sermon zum Himmelfahrtstag 1523, WA 12,562, 24-26: „Darumb hut dich, daß du dir nit also gedenkist, das er yetzund weyt von uns kommen sey, ßondern gerad widersyns, do er auff erden war, war er uns tzu ferren, ytzund ist er uns nah.“] Was heißt das? Es heißt, dass er nun nicht mehr der König der Juden, sondern der König aller Welt geworden ist; es heißt, dass er vom Himmel her sein ganzes Reich regiert und seiner ganzen Gemeinde, die über alle Welt unter Juden und Heiden verstreut ist, unsichtbar nah und gegenwärtig ist. Er ist uns nah in seiner Kirche, in seinem Wort, in seinem Sakrament, in der brüderlichen Liebe. Hier tröstet er uns Verlassene, hier stillt er immer neu unser Heimweh, hier macht er uns in unserer Gottesferne, in unserer Öde und Leere, in unserer Weglosigkeit, in unserem Alleinsein unserer Christusnähe froh. Predigtfreude, Sakramentsfreude, Freude am Bruder, das ist die Freude der glaubenden Gemeinde an ihrem unsichtbaren, himmlischen Herrn …

Himmelfahrt Christi – der Vorhang fällt, die Kirche des Glaubens wartet, das Sakrament ist ihre Freude.  – Wiederkunft Christi – der Himmel tut sich auf. Die Heimat ist da, der Durst ist gestillt. Die Gemeinde der Seligen schaut das unbegreifliche Geheimnis – Jesus Christus, Gott selbst ist ihre Freude. Noch sind wir Fremdlinge auf der Wanderschaft in langem, bangem Warten – aber die Erlösten des Herrn werden kommen mit Jauchzen, und ewige Freude wird über ihrem Haupte sein.

3

DBW 4,234 (Nachfolge, 1937)

Der gekreuzigte und auferstandene Christus existiert durch den heiligen Geist als Gemeinde, als der „neue Mensch“, so wahr er der Menschgewordene ist und in Ewigkeit bleibt, so wahr sein Leib die neue Menschheit ist …Die Einheit Christi mit seiner Kirche, seinem Leib, fordert zugleich, dass Christus als Herr seines Leibes erkannt wird. Darum wird Christus in weiterer Ausführung des Leibbegriffes das Haupt des Leibes genannt (Eph. 1,22; Kol. 1,18; 2,19). Das klare Gegenüber wird gewahrt, Christus ist Herr. Die heilsgeschichtliche Tatsache, die dieses Gegenüber notwendig macht, und eine mystische Verschmelzung von Gemeinde und Christus niemals zulässt, ist die Himmelfahrt Christi und seine Wiederkunft.

4

DBW 16,475 ff., Beilage für den monatlichen Rundbrief des pommerschen Bruderrats der Bekennenden Kirche an seine Pfarrer vom April 1940

Die Himmelfahrt Jeus hat uns ins himmlische Wesen versetzt (Eph. 2,6) … Wo er ist, da sind wir auch. Wir sind schon im Himmel mit Christus … Das Zukünftige ist gegenwärtig und das Gegenwärtige schon vergangen. So leben wir in der Kraft der Himmelfahrt Christi.

Die Himmelfahrt stellt uns zwischen Haben und Warten. Wir haben den Himmel, darum warten wir auf ihn. Wir sind ins himmlische Wesen versetzt, unser Bürgertum ist im Himmel (Phil. 3,20).

5

DBW 8,90 f., Himmelfahrtstag, 4. Juni 1943 an die Eltern

Ich hatte Euch schon einen langen Brief geschrieben, da bringt eben die Post die Briefe von Maria und meiner Schwiegermutter und damit ein ganz unbeschreibliches Glück in meine Zelle … Maria schreibt so froh über den Tag bei Euch, und wie schwer muss es trotz aller Liebe, die Ihr ihr gezeigt hat, für sie gewesen sein; es ist ein Wunder, wie sie das alles durchsteht und für mich ein Glück und Vorbild sondergleichen .. Ich wünsche es wirklich vielmehr noch um ihret- als um meinetwillen, dass diese harte Zeit nicht allzu lange dauert. Dass aber gerade diese Monate einmal für unsere Ehe unendlich wichtig sein werden, ist mir gewiss und dafür bin ich dankbar. Wie sehr mich der Brief meiner Schwiegermutter bewegt hat, vermag ich kaum zu sagen [Ruth v. Wedemeyer hatte ihm am 24. Mai 1943 geschrieben: “Ich bin so froh, dass ich die Erlaubnis hab, Dir zu schreiben, – dass die Ereignisse der letzten Wochen alle Hindernisse weggeräumt haben, – dass ich nun Dir schreiben kann als einem sehr lieben Sohn“]. Dass ich ihr zu all dem Schmerz des vergangenen Jahres [Kriegstod ihres Manns und ihres Sohns] einen solchen Kummer hinzufügen musste, hat mich seit dem ersten Tag meiner Festnahme gequält, und nun hat sie gerade diese über uns gekommene Not zum Anlass genommen, die Frist des Wartens abzukürzen und mich dadurch glücklich zu machen …  

Heute ist Himmelfahrtstag, also ein großer Freudentag für alle, die es glauben können, dass Christus die Welt und unser Leben regiert. Die Gedanken gehen zu Euch allen, zu Kirche und Gottesdiensten, von denen ich nun schon so lange getrennt bin, aber auch zu den vielen unbekannten Menschen, die in diesem Haus ihr Schicksal stumm mit sich herumtragen. Solche und andere Gedanken bewahren mich immer wieder gründlich davor, die eigenen geringen Entbehrungen irgendwie wichtig zu nehmen. Das wäre sehr ungerecht und undankbar.

KONTEXT

Zwischen sehnsuchtsvoller Vorfreude auf das freudige Wiedersehen und ungeduldigem Warten – diese heftige Spannung bestimmt das Leben Dietrich Bonhoeffers im Gefängnis. Es ist ein doppeltes Warten: auf die Wiedergewinnung der Freiheit und auf die Ehe mit Maria.

Der Himmelfahrtstag erinnert an beides: Abschied und Wiederkunft, Vorhang zu – Vorhang auf – Trennung und Aufhebung der Trennung „für alle, die es glauben können, dass Christus die Welt und unser Leben regiert“ – „so wahr er der Menschgewordene ist und in Ewigkeit bleibt“.  Der „unser ganzes Gefängnis gefangen geführt“ hat. „Wo er ist, da sind wir auch“. Denn „unser Bürgertum ist im Himmel.“ Mit uns geschehe Gottes Wille „wie im Himmel, so auf Erden“.

Weg und Wahrheit, Lebensquell, Christus Gottes bist du uns.

Du gehst uns zu Gott voraus und bereitest uns das Haus.


Memorial and Place of Encounter Bonhoeffer-Haus Berlin
www.bonhoeffer-haus-berlin.de

So much strength to resist! Read Bonhoeffer in critical time (10)
Ascension Day, May 21, 2020

Since May 4th, small groups of up to 5 people can visit the Bonhoeffer House. This corresponds to the state regulations for museums and memorials. In addition, we keep the house “open” through the weekly blogs, in which we put Bonhoeffer texts in the historical and current context for each Sunday through Trinitatis Sunday with the aspect: »How do political resistance and mental strength to resist (resilience) belong together?« In these days, when opponents of vaccination, supporters of conspiracy theories and other anti-democrat activists claim the term “resistance” for themselves, it is all the more important–in complete contradiction to this–to perceive Bonhoeffer’s life and thinking in resistance as help for strengthening and clarifying.

With warm regards and good wishes
Gottfried Brezger, chairman


ASCENSION DAY: pulled up the whole world with him to life and to the light


TEXTS

1
DBW 11.444 ff., June 19, 1932 Sermon on Colossians 3:1-4, (4th Sunday after Trinitatis),
Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Berlin, on behalf of Gerhard Jacobi
We have not been left alone at all in our lostness; instead, there is one who has stepped across the boundary that separates us from the Creator and from true life, has broken into our territory of death, has tasted all our living and dying to its deepest depths, and has still broken through this death, broken through to the eternal Father, to eternal life, where he is seated at the right hand of God. And he has pulled up the whole world with him to life and to the light, has swallowed up death in victory, has taken our whole prison captive and brought us freedom, the glorious freedom of the children of God.

2
DBW 12.468 ff. May 25, 1933, Sermon on 1 Peter 1:7b-9, Ascension Day,
Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Berlin, on behalf of Gerhard Jacobi
Christ’s ascension has two meanings. It is Jesus’s farewell to his disciples, to the world, which he loved … Now the end of his time on earth had come. They had gone one last stretch of road to-gether–then came the final moment; he laid his hands on them in blessing, and then he was taken from their sight. They were alone. The curtain had fallen. He had left this world of evil and gone home to his heavenly Father; he is preparing a place for you, a home in his kingdom; he will take you home when his time comes. Just wait–and rejoice. He will come again …
Luther once said something like this: Since he was on earth, he was far from us, since he is in heaven, he is close to us. [Luthers Sermon zum Himmelfahrtstag 1523, WA 12,562, 24-26: „Darumb hut dich, daß du dir nit also gedenkist, das er yetzund weyt von uns kommen sey, ßondern gerad widersyns, do er auff erden war, war er uns tzu ferren, ytzund ist er uns nah.“] What does that mean? It means that now he is no longer king of the Jews but rather king of the whole world; it means that from heaven he reigns over his whole kingdom and is near, though not visible, and present to his whole church, wherever it is scattered, among Jews an heathen, through all the world. He is close to us in his church, in his Word, in his sacrament, in love among the brethren. Here he comforts us who are abandoned; here he soothes our homesickness ever anew; here he takes us who are estranged from God, who are in barren, empty places, who don’t know the way, who are alone, and makes us joyful n his Christly presence. Joy in the sermon, joy in the sacraments, joy in brothers and sisters–that is the joy of the believing church in its unseen, heavenly Lord …
Christ’s ascension–the curtain falls, the church of faith waits, and its joy is the sacrament. Christ’s coming again–heaven opens up. Home at last, our thirst is slaked–the community of the blessed sees the incomprehensible mystery. Its joy is Jesus Christ, none other than God. At present we are still strangers, wandering in the time between his ascension and his second coming, waiting long in hope and fear. But the ransomed of the Lord shall return with singing, and everlasting joy shall be upon their heads. Rejoice, O Christendom. Amen.

3
DBW 4,220 (Discipleship, 1937)
Through the Holy Spirit, the crucified and risen Christ exists as the church-community [Gemeinde], as the “new human being”. For Christ truly is and eternally remains the incarnate one, and the new humanity truly is his body …
The unity between Christ and his body, the church, demands that we at the same time recognize Christ’s lordship over his body. This is why Paul, in developing further the concept of the body, calls Christ the head of the body (Eph. 1:22; Col. 1:18; 2:19). The distinction is clearly preserved; Christ is the Lord. There are two events in salvation history, namely, Christ’s ascension and his second coming, which make this distinction necessary, these events categorially rule out any idea of a mystical fusion between church-community and Christ.

4
DBW 16,476 ff., The Ascension of Jesus Christ. A Reflection on Its Christological, Soteriological, and Parenetical Meaning, enclosed with the April 1940 monthly newsletter of the Pommeranian Council of Brethren of the Confessing Church to its pastors.
The ascension of Jesus has transposed us into the heavenly places (Eph. 2:6) and thereby orients our gaze toward heaven (Col. 3:1) … Where he is, we are also. We are already in heaven with Christ … That which is future is present, and the present already past. In this way we live in the power of Christ’s ascension.
The ascension of Jesus places us between having and waiting. We have heaven, and therefore we wait for it. We have been transposed into the heavenly places; our citizenship is in heaven (Phil. 3:20).

5
DBW 8,96 f., To Karl and Paula Bonhoeffer, Day of Ascension, June 4, 1943
I had already finished a long letter to you when, just now, the mail brought the letters from Maria and my mother-in-law and with them and indescribable joy into my cell … Maria writes with such happiness about the day with you, and yet how difficult it must have been for her despite all the love you showed her. How she copes with everything is a miracle, and for me a source of happiness and an example beyond compare … I do hope, far more for her sake than mine, that these hard times won’t last too terribly long. However, I am certain that these months will someday prove infi-nitely important for our marriage, and for this I am grateful. I can hardly express how much I was touched by the letter from my mother-in-law [Ruth von Wedemeyer had written to him on May 27, 1943: “I am so happy that I have permission to write to you-that all the obstacles have been cleared away by the events of the last weeks–that I am now able wo write to you as to y very dear son.”]. Since the very day I was arrested, I have been tormented by the
Thought of having inflicted on her even more trouble in addition to all the sorrow of the past year [Her husband and her son were killed in the war]. And now she has taken these very troubles that have befallen us as the occasion to shorten the waiting period, and with that made me happy …
Today is Ascension Day, that is, a great day of joy for all those who are able to believe that Christ rules the world and or lives. My thoughts travel to all of you, to the church and the worship services from which I have been separated for so long now, but also to the many unknown people who move through this building, bearing their fate in silence. Again and again, these and other thoughts truly keep me from taking my own minor privations too seriously. Doing so would be very unjust and ungrateful.

CONTEXT

Between longing anticipation for the joyful reunion and impatient waiting – this violent tension de-termines the life of Dietrich Bonhoeffer in prison. It is a double wait: for freedom to be regained and for marriage to Maria.
The Ascension Day reminds of both: farewell and return, curtain down – curtain up – separation and abolition of the separation „for all those who are able to believe that Christ rules the world and or lives“ – „as true as he has become man and forever remains“. Who „led our whole prison“. „Where he is, we are also „. Because „our citizenship is in heaven.“ God’s will be done with us „as in heaven, so on earth“.

Way and truth, source of life, you are Christ of God.
You lead us the way to God and prepare the house for us.

So viel Widerstandskraft ! Bonhoeffer lesen in kritischen Zeiten (9) Zum Sonntag ROGATE, 17. Mai 2020

Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus
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ROGATE („Betet!“): „Herr lehre uns beten!“ Lukas 11,1


TEXT A (aus „Das Gebetbuch der Bibel“, 1940, DBW 5, 103 ff.)

„Herr, lehre uns beten!“ So sprachen die Jünger zu Jesus. Sie bekannten damit, dass sie von sich aus nicht zu beten vermochten. Sie mussten es lernen. Beten-lernen, das klingt uns wider-spruchsvoll. Entweder ist das Herz so übervoll, dass es von selbst zu beten anfängt, sagen wir, oder es wird nie beten lernen. Das ist aber ein gefährlicher Irrtum, der heute freilich weit in der Christenheit verbreitet ist, als könne das Herz von Natur aus beten. Wir verwechseln dann Wünschen, Hoffen, Seufzen, Klagen, Jubeln – das alles kann das Herz ja von sich aus – mit Beten. Damit aber verwechseln wir Erde und Himmel, Mensch und Gott. Beten heißt ja nicht einfach das Herz ausschütten, sondern es heißt, mit seinem erfüllten oder auch leeren Herzen den Weg zu Gott zu finden und mit ihm reden. Das kann kein Mensch von sich aus, dazu braucht er Jesus Christus …
Wenn er uns mit in sein Gebet hineinnimmt, wenn wir sein Gebet mitbeten dürfen, wenn er uns auf seinem Wege zu Gott mit hinaufführt und uns beten lehrt, dann sind wir von der Qual der Gebetslosigkeit befreit. … Nur in Jesus Christus können wir beten, mit ihm werden auch wir erhört …
Wollen wir mit Gewissheit und Freude beten, so wird das Wort der Heiligen Schrift der feste Grund unseres Gebetes sein müssen. Hier wissen wir, dass Jesus Christus, das Wort Gottes, uns beten lehrt. Die Worte, die von Gott kommen, werden die Stufen sein, auf denen wir zu Gott finden …
Jesus Christus hat alle Not, alle Freude, allen Dank und alle Hoffnung der Menschen vor Gott gebracht. In seinem Munde wird das Menschenwort zum Gotteswort, und wenn wir sein Gebet mitbeten, wird wiederum das Gotteswort zum Menschenwort …
Auf die Bitte der Jünger hat Jesus ihnen das Vaterunser gegeben. In ihm ist alles Beten enthal-ten. Was in die Bitten des Vaterunsers eingeht, ist recht gebetet, was in ihnen keinen Raum hat, ist kein Gebet. Alle Gebete der Heiligen Schrift sind im Vaterunser zusammengefasst … So wird das Vaterunser zum Prüfstein dafür, ob wir im Namen Jesu Christi beten oder im eigenen Na-men. Es hat darum guten Sinn, wenn der Psalter in unser Neues Testament meist mit hineinge-bunden wird. Er ist das Gebet der Gemeinde Jesu Christi, er gehört zum Vaterunser.
Dietrich Bonhoeffer, aus der Einleitung zu: Das Gebetbuch der Bibel. Eine Einführung in die Psalmen, 1940, Dietrich Bonhoeffer-Werke, DBW 5, 103 ff.

TEXTE B (aus „Widerstand und Ergebung, Dietrich Bonhoeffer Werke, Band 8)

Vom ersten Aufwachen bis zum Einschlafen müssen wir den anderen Menschen ganz und gar Gott befehlen und ihm überlassen, und aus unseren Sorgen um den Andren Gebete für ihn werden lassen.
Heilig Abend 1943 an Eberhard Bethge. DBW 8, 256.

MORGENGEBET
Gott, zu dir rufe ich am frühen Morgen
hilf mir beten und meine Gedanken sammeln;
ich kann es nicht allein.
In mir ist es finster, aber bei dir ist Licht
ich bin einsam, aber du verlässt mich nicht
ich bin kleinmütig, aber bei dir ist Hilfe
ich bin unruhig, aber bei dir ist Frieden
in mir ist Bitterkeit, aber bei dir ist die Geduld
ich verstehe deine Wege nicht aber du weißt den [rechten] Weg für mich.
Gebete für Gefangene für Morgen, Abend und besondere Not, auf Bitte des Gefängnispfarrers Harald Poelchau von Dietrich Bonhoeffer im November 1943 aufgeschrieben, DBW 8, 204 ff.

[Ich muss] einmal mit Dir über das Gebet in der Not sprechen. Es ist eine schwierige Sache und doch ist das Misstrauen, mit dem wir es bei uns selbst begleiten, vielleicht auch nicht gut … Ich will nicht mehr darüber sagen, das geht nur mündlich, – aber es ist eben doch so, dass die Not kommen muss, um uns aufzurütteln und ins Gebet zu treiben, und ich empfinde das je-desmal als beschämend, und es ist es auch. Vielleicht liegt es daran, dass es mir in einem sol-chen Augenblick bisher unmöglich gewesen ist, den anderen ein christliches Wort zu sagen. Als wir gestern abend [bei Bombenangriffen] wieder auf dem Fußboden lagen und einer ver-nehmlich: „ach Gott, ach Gott!“ rief – sonst ein sehr leichtfertiger Geselle – brachte ich es nicht über mich, ihn irgendwie christlich zu ermutigen und zu trösten, sondern ich weiß, dass ich nach der Uhr sah und nur sagte: „es dauert höchstens noch 10 Minuten. Das geschah nicht mit Überlegung, sondern von selbst und wohl aus dem Gefühl heraus, diesen Augenblick nicht zu religiösen Erpressungen benutzen zu dürfen.
Brief an Eberhard Bethge, 29./31. Januar 1944, DBW 300f.

Nicht alle unsere Wünsche, aber alle seine Verheißungen erfüllt Gott, d.h. er bleibt der Herr der Erde, er erhält seine Kirche, er schenkt uns immer neuen Glauben, er legt uns nie mehr auf, als wir tragen können, macht uns seiner Nähe und Hilfe froh, erhört unsere Gebete und führt uns auf dem besten und geradesten Wege zu sich. Indem Gott dies gewiss tut, schafft er sich durch uns Lob.
Brief vom 14. August 1944 zum Geburtstag von Eberhard Bethge am 28. August. DBW 8, 569.

KONTEXT

In der Einleitung zum „Gebetbuch der Bibel“ entfaltet Dietrich Bonhoeffer sein christozentri-sches Verständnis des Gebets, das zu Christus hin führt und von ihm her kommt. Christus wird als das eine Wort Gottes im Menschenwort erkannt und bekannt (vgl. Theologische Erklärung der Barmer Bekenntnissynode vom 31. Mai 1934, These 1).

Die Ausschließlichkeit des Bekenntnisses zu Christus erfahren Juden im christlich-jüdischen Dialog und Menschen, die einer anderen oder keiner Religion angehören, als Vereinnahmung oder gar als Ausschluss. Dietrich Bonhoeffer fragt in seinem Brief an Eberhard Bethge vom 30. April 1944: „Wie kann Christus der Herr auch der Religionslosen werden?“

Dabei geht es nicht um das Ausschließen der „Andern“ (das zeigt auch das Gedicht „Christen und Heiden“ mit dem Schluss: „und vergibt ihnen beiden“), sondern um das Aufschließen der Türen, die uns trennen. Bonhoeffers Frage ist ein Widerhall der paulinischen Botschaft von der Überwin-dung des Zauns zwischen dem jüdischen Volk und den anderen Völkern „in Christus Jesus“ (Ga-laterbrief 3,28; Epheserbrief 2,11 ff.). Der Gekreuzigte ist als der Auferstandene „der Friede“. „Je-sus Christus hat alle Not, alle Freude, allen Dank und alle Hoffnung der Menschen vor Gott ge-bracht.“ Das „Herr“-Sein Christi ist als dialektisch-dynamische Umkehr („Metanoia“) zu verstehen: Wenn wir uns „in den Weg Jesu mithineinreißen lassen“, „in das – messianische – Leiden Gottes in Jesus Christus“ (Brief vom 18. Juli 1944 an Eberhard Bethge), wird er uns aus der Enge unse-rer „eigenen Nöte, Fragen, Sünden, Ängste“ befreien und hineinnehmen in die Weite seines Ge-bets, damit Gottes Wille geschehe, „wie im Himmel, so auf Erden“.

Wenn Christus, das „Brot des Lebens“ (Johannes 6,35) mit uns betet, wird aus der Bitte um „unser täglich Brot“ die Bitte um die Bewahrung des Lebens auch der Andern, wo auch immer.


Memorial and Place of Encounter Bonhoeffer-Haus Berlin
www.bonhoeffer-haus-berlin.de

So much strength to resist ! Read Bonhoeffer in critical time (9)
May 17, 2020

Since May 4th, small groups of up to 5 people can visit the Bonhoeffer House. This corre-sponds to the state regulations for museums and memorials. In addition, we keep the house “open” through the weekly blogs, in which we put Bonhoeffer texts in the historical and current context for each Sunday through Trinitatis Sunday with the aspect: »How do political resistance and mental strength to resist (resilience) belong together?« In these days, when opponents of vaccination, supporters of conspiracy theories and other anti-democrat activists claim the term “resistance” for themselves, it is all the more important – in complete contradiction to this – to perceive Bonhoeffer’s life and thinking in resistance as help for strengthening and clarifying.

With warm regards and good wishes
Gottfried Brezger, chairman


ROGATE: “Lord, teach us, to pray!” Praying along with Christ


TEXT A

“Lord, teach us to pray!” So spoke the disciples to Jesus. In doing so, they were acknowledging that they were not able to pray on their own: they had to learn. »To learn to pray« sounds con-tradictory to us. Either the heart is so overflowing that it begins to pray by itself, we say, or it will never learn to pray. But this is a dangerous error, which is certainly very widespread among Christians today, to imagine that it is natural for the heart to pray. We then confuse wishing, hoping, sighing, lamenting, rejoicing – all of which the heart can certainly do on its own – with praying. But in doing so we confuse earth and heaven, human being and God. Praying certain-ly does not mean simply pouring out one’s hart. It means, rather, finding the way to and speak-ing with God, whether the heart is full or empty. No one can do that on one’s own. For that one needs Jesus Christ …
If Christ takes us along in the prayer which Christ prays, if we are allowed to pray this prayer with Christ, on whose way to God we too are led and by whom we are taught to pray, then we are freed from the torment of being without prayer … We can pray only in Jesus Christ, with whom we shall also be heard …
God’s speech in Jesus Christ meets us in the Holy Scriptures. If we want to pray with assur-ance and joy, then the word of Holy Scripture must be the firm foundation of our prayer. Here we know that Jesus Christ, the Word of God, teaches us to pray. The words that come from God will be the steps on which we find our way to God …
Jesus Christ has brought before God every need, every joy, every thanksgiving, and every hope of humankind. In Jesus’ mouth the human word becomes God’s Word. When we pray along with the prayer of Christ, God’s Word becomes again a human word. Thus all prayers of the Bible are such prayer, which we pray together with Jesus Christ, prayers in which Christ includes us, and through which Christ brings us before the face of God. Otherwise there are no true prayers, for only in and with Jesus Christ can we truly pray …
At the request of the disciples, Jesus gave them the Lord’s Prayer. In it every prayer is con-tained. Whatever enters into the petitions of the Lord’s Prayer is prayed aright; whatever has no place in it, is no prayer at all. Al the prayers are summed up in the Lord’s Prayer … Luther says of the Psalter: “It runs through the Lord’s Prayer and the Lord’s Prayer runs through it, so that is possible to understand one on the basis of the other and to bring them into joyful harmony.” The Lord’s Prayer thus becomes the touchstone for whether we pray in the name of Jesus Christ or in our own name. It makes good sense, that the Psalter is very often bound together with the New Testament. It is the prayer of the church of Jesus Christ. It belongs to the Lord’s Prayer.
Dietrich Bonhoeffer, Prayerbook of the Bible. An Introduction to the Psalms, 1940, DBW, Vol. 5.

TEXTS B (from: Dietrich Bonhoeffer, Letters and Papers from Prison, volume 8)

From first awakening until our return to sleep, we must commend and entrust the other person to God wholly and without reserve, and let our worries become prayer for the other person.
Christmas Eve 1943 to Eberhard Bethge. DBW 8, 256.

MORNING PRAYER
God, I call to you early in the morning,
Help me pray and collect my thoughts, I cannot do so alone.
In me it is dark, but with you there is light.
I am lonely, but you do not abandon me.
I am faint-harted, but from you comes my help.
I am restless, but with you is peace.
In me is bitterness, but with you is patience.
I do not understand your ways, but you know [the] right way for me.
Dietrich Bonhoeffer, Prayers for Prisoners: Morning Prayer, November 1943, DBW 8, 194 ff.

I should talk with you sometime about prayer in time of need. This is a difficult matter, yet our misgivings when praying for ourselves are perhaps not good either … I won’t say any more about this, I can only do that in person, but that’s the way it is; it takes a crisis to shake us up and drive us into prayer, and every time I find this shameful, and it is. Perhaps it’s because so far, as such moments, I’ve found it impossible to speak a Christian word to the others. Last night when we were lying on the floor again and one man called out aloud: »O God, O God!« – he’s otherwise a pretty frivolous fellow – I couldn’t bring myself to offer him any sort of Chris-tian encouragement and comfort, but I remember looking at the clock and just saying, it won’t last more than another ten minutes. I did this without thinking, automatically, probably with the feeling that I shouldn’t use it as an opportunity for religious blackmail.
To Eberhard Bethge, January 29/31, 1944, DBW 8, 275 f.

God does not fulfill all our wishes but does keep all his promises. This means God remains Lord of the earth, preserves the church, renews our faith again and again, never gives us more than we can bear to endure, makes us rejoice in his presence and help, hears our prayers and leads us on the best and straightest path to God. But doing all these things unfailingly, God elicits or praise.
To Eberhard Bethge, August 14, 1944, for Eberhard Bethge’s birthday on August 28, DBW 8, 569.

CONTEXT (see also the Editor‘s Introduction to the English Edition of Geffrey B. Kelly)

In the introduction to the „Prayerbook of the Bible“, Dietrich Bonhoeffer unfolds his christocen-tric understanding of prayer that leads to Christ and comes from him. In Luther’s footsteps, he understands the Psalms from the Lord’s Prayer and the Lord’s Prayer from the Psalms. Christus is recognized and confessed as the one word of God in the human word (see: Theo-logical Declaration of the Barmen Confession Synod of May 31, 1934, Thesis 1).

The exclusivity of the confession to Christ is experienced by Jews in Christian-Jewish dialogue and people who belong to another or no religion, as an appropriation or even as an exclusion. In his letter to Eberhard Bethge of April 30, 1944, Dietrich Bonhoeffer asks: „How can Christ be-come Lord of the religionless as well?“

It is not about excluding the “others” (this is also shown by the poem “Christians and Heathens” with the conclusion: “and forgives them both”), but rather about including them by unlocking the doors that separate us. Bonhoeffer’s question is an echo of the Pauline message of overcom-ing the fence between the Jewish people and the other peoples „in Christ Jesus“ (Galatians 3:28; Ephesians 2:11 ff.). The crucified one is “the peace” as the risen one. „Jesus Christ has brought all hardship, all joy, all thanks and all hope of people before God.“ The „Lord“ being of Christ is to be understood as a dialectical-dynamic conversion („Metanoia“): If we allow “to be pulled into walking the path that Jesus walks, … into the – messianic – suffering of God in Jesus Christ” (letter of July 18, 1944 to Eberhard Bethge), he will liberate us from the smallness of our “own needs, questions, sins, fears” and take us in the greatness of his prayer so that “God’s will be done on earth, as it is in heaven”.
When Christ the “Bread of Life” (John 6:35) prays with us, the request for “our daily bread” be-comes the request for the preservation of the life of others, wherever.

So viel Widerstandskraft ! Bonhoeffer lesen in kritischen Zeiten (8) Zum Sonntag Kantate, 10. Mai 2020

Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus

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KANTATE: Singet dem Herrn ein neues Lied, Psalm 98,1


TEXT A

Singet dem Herrn ein neues Lied. Auf diesem Wort neu liegt der Ton. Was ist dies neue Lied anders als das Lied, das den Menschen neu macht, das Lied, das aus dem Menschen nach Dunkelheit und Sorge und Angst hervorbricht zu neuer Hoffnung, neuem Glauben, neuem Vertrauen? Das neue Lied ist das Lied, das Gott selbst neu in uns erweckt – und ob es ein uraltes Lied wäre – der Gott, der  – wie es bei Hiob heißt – „sich Lobgesänge schafft mitten in der Nacht“. Der Lobgesang in der Nacht unseres Lebens, unseres Leidens und unserer Furcht, in der Nacht unseres Todes – das ist das neue Lied …

Singet dem Herrn ein neues Lied – und doch sind all unsere Lieder nur ein Abglanz von dem Lied der Lieder, das die Ewigkeit singt, vor dem Thron Jesu Christi … Warum sollen wir uns nicht schon hier freuen auf das neue Lied, das uns umfangen wird, wenn wir die Augen zu tun, das reinste, das süßeste, das härteste und das gewaltigste aller Lieder … Herr, wir eilen zu deinem neuen Lied. Jesu juva – Jesus hilf. Amen.

Dietrich Bonhoeffer, Predigt am Sonntag Cantate, 29.4.1934, London, DBW 13,351 ff.

TEXT B

Im Rahmen einer Veranstaltungsreihe der ‚Bekennenden Kirche‘ anlässlich der Olympiade in Berlin beschreibt Dietrich Bonhoeffer „Das innere Leben der deutschen evangelischen Kirche“ als eine Geschichte des Evangelischen Kirchenlieds. Dabei stellt er Luthers Lieder („sie sind ausnahmslos Lieder des Wortes“) den Liedern Paul Gerhardts gegenüber:

Sein persönliches Leben war von großem Leid gezeichnet. Aber so wurde er der große Prediger des Trostes und der Freude seiner Zeit. Seine Lieder zeugen nicht mehr von den großen Glaubenskämpfen  der ersten Christenheit. Luther sang von Anfechtung und Kampf, Paul Gerhardt singt: „Gib dich zufrieden und sei stille“; Luther: „Es streit für uns der rechte Mann“, Paul Gerhardt: „Hüter meines Lebens, fürwahr, es ist vergebens.“ Luther sang: „Verleih uns Frieden gnädiglich“, Paul Gerhardt: „Befiehl du deine Wege“. Luther besang die Christ[us]feste mit Worten der Schrift, Paul Gerhardt die christliche Erfahrung: „Warum sollt ich mich denn grämen“. Mit einer dieser Strophen auf den Lippen ist Paul Gerhardt gestorben.

Bonhoeffer wendet dann seinen Blick zum Lied im Pietismus mit Zinzendorf und Gellert:

Der Pietist sucht das fromme Leben, der Aufklärer das vernünftige Leben.

Zum Erweckungslied mit Spitta und Julie Hausmann („So nimm denn meine Hände“) bemerkt er:  

Es ist erwachtes religiöses Leben. Aber es geht neben der Kirche her. Es ist fromme Poesie, aber nicht gepredigtes Wort. Die Frage ist, wie wird dieser Glaube des 19. Jahrhunderts bestehen, wenn einmal große Anfechtungen über die Kirche kommen. Die Anfechtungen kamen, und die Antwort war der Kirchenkampf. Nach vierhundert Jahren Protestantismus dringt der Geist der Reformation wieder durch.

Dietrich Bonhoeffer, Vortrag über die Geschichte des evangelischen Kirchenliedes, Mitschrift, 5.8.1936, Apostel-Paulus- und Zwölf-Apostel-Kirche Berlin-Schöneberg, wiederholt im 3. Kurs in Finkenwalde, DBW 14, 714 ff.

TEXT C

Im ersten Brief aus der Haft, am 14.4.1943, schreibt Dietrich Bonhoeffer an seine Eltern:

Verzeiht, dass ich Euch Sorgen mache, aber ich glaube, daran bin diesmal weniger ich, als ein widriges Schicksal schuld. Dagegen ist es gut, Paul Gerhardt Lieder zu lesen und auswendig zu lernen, wie ich es jetzt tue.

In vielen Briefen aus der Haft findet er bei Paul Gerhardt Zuflucht, Trost und Klarheit. Im ersten Brief an seinen Freund Eberhard Bethge, der unter Umgehung der Zensur möglich ist, schreibt er am 18.11.1943:

In den ersten 12 Tagen, in denen ich hier als Schwerverbrecher abgesondert und behandelt wurde – meine Nachbarzellen sind bis heute fast nur mit gefesselten Todeskandidaten belegt – hat sich Paul Gerhardt in ungeahnter Weise bewährt, dazu die Psalmen und die Apokalypse.

In seinem Brief an Eberhard Bethge am Tag nach den gescheiterten Anschlag vom 20. Juli 1944 schreibt Dietrich Bonhoeffer:

Ich denke, Du wirst in Gedanken so oft und viel hier bei uns sein, dass Du Dich über jedes Lebenszeichen freust, auch wenn das theologische Gespräch einmal ruht. Zwar beschäftigen mich die theologischen Gedanken unablässig, aber es kommen dann doch auch Stunden, in denen man sich mit den unreflektierten Glaubensvorgängen genügen lässt. Dann freut man sich ganz einfach an den Losungen des Tages … und man kehrt zu den schönen Paul Gerhardt-Liedern zurück und ist froh über diesen Besitz. Ich habe in den letzten Jahren mehr und mehr die tiefe Diesseitigkeit des Christentums kennen und verstehen gelernt; nicht ein homo religiosus, sondern ein Mensch schlechthin ist der Christ, wie Jesus … Mensch war.“

Dietrich Bonhoeffer, Brief vom 21.7.1944, DBW 8, 541.

KONTEXT

Kopf und Herz, die „theologischen Gedanken“ und die „unreflektierten Lebens- und Glaubensvorgänge“ kommen bei Dietrich Bonhoeffer in der Haft zusammen. So wird das Singen zum ‚neuen‘ Lied, „das den Menschen neu macht“ in der „tiefe[n] Diesseitigkeit“. Und so bahnt sich für ihn der Weg zum eigenen ‚neuen‘ Lied.

Paul-Gerhardt-Lieder, die bei Festen und im Verlauf des Kirchenjahrs ihren festen Sitz in der Familientradition haben, werden Dietrich zum festen Halt und Besitz. Die Hochschätzung der streitbaren Orientierung an Gottes Wort in Luthers Liedern verbindet sich mit der Entdeckung, wie sie Bonhoeffer in seinem Brief vom 4. Advent 1943 beschreibt:

„Außerdem habe ich zum ersten Mal in diesen Tagen das Lied »Ich steh an Deiner Krippe hier« für mich entdeckt. Ich hatte mir bisher nicht viel daraus gemacht Man muss wohl lange allein sein und es meditierend lesen, um es aufnehmen zu können. Es ist in jedem Wort ganz außerordentlich gefüllt und schön. Ein klein wenig mönchisch-mystisch ist es, aber doch gerade nur so viel, wie es berechtigt ist; es gibt eben neben dem Wir doch auch ein Ich und Christus, und was das bedeutet, kann gar nicht besser gesagt werden als in diesem Lied.“

Bonhoeffers Trostgedicht für Maria und seine Familie: »Von guten Mächten« ist für viele Menschen zum ‚neuen Lied‘ geworden. Es hat die Kraft, auch in uns heute „nach Dunkelheit, Sorge und Angst“ ‚neu‘ Hoffnung, Glauben und Vertrauen zu wecken.

Memorial and Place of Encounter Bonhoeffer-Haus Berlin
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So much strength to resist ! Read Bonhoeffer in critical time (8)
May 8, 2020

Since May 4th, small groups of up to 5 people can visit the Bonhoeffer House. This corre-sponds to the state regulations for museums and memorials.
In addition, we keep the house “open” through the weekly blogs, in which we put Bonhoeffer texts in the historical and current context for each Sunday through Trinitatis Sunday with the aspect: »How do political resistance and mental strength to resist (resilience) belong together?« In these days, when opponents of vaccination, supporters of conspiracy theories and other anti-democrat activists claim the term “resistance” for themselves, it is all the more important – in complete contradiction to this – to perceive Bonhoeffer’s life and thinking in resistance as help for strengthening and clarifying. On May 21, 1944, the day of the baptism of his godson Dietrich Bethge, he wrote in prison at the noise of the siren “hoping that today at least you have been spared an air raid. What times these are! And what baptism! What memories for years to come! What is important is to channel all these impressions, so to speak, the right way in one’s mind; then they will just make you more defiant, harder, clearer, and that is good.”
Dietrich Bonhoeffer, Letters and Papers from Prison, DBW 8, 395.

With warm regards and good wishes
Gottfried Brezger, chairman


CANTATE: O sing to the Lord a New Song!


TEXT A

O sing to the Lord a new song. The emphasis is on the word new. What is this new song, if it is not a song that makes someone a new person, when a person leaves darkness and worry and fear behind and breaks forth into new hope, new faith, new confidence? The new song is the one that awakens God’s presence anew in us- even if it is a very old song, of the God who, as Job says, “gives songs in the night.” The song of praise in the night of our lives, of our suffer-ings and our fear, in the night of our death – this is the new song …
O sing to the Lord a new song – and yet all our songs are only a reflection of the song of songs, which sings of eternity before the throne of Jesus Christ …Why should not we, here and now, look forward to that new song that will embrace us when we finally close our eyes, the purest, sweetest, hardest, and most violent of all songs … Lord, we hasten to join in your new song. Jesu juva – help us, Jesus. Amen.

Dietrich Bonhoeffer, Sermon on Psalm 98:1, London, Cantate Sunday, April 29, 1934, DBW 13, 353 ff..

TEXT B

As part of a series of events organized by the ‚Confessing Church‘ on the occasion of the Olympiad in Berlin, Dietrich Bonhoeffer describes »The inner life of the German Evangelical Church« as a story of the Evangelical hymn. In doing so, he contrasts Luther’s songs („they are without exception songs of the word“) with the songs of Paul Gerhardt:
His personal life was … characterized by great suffering. Bu in this way he became the great preacher of consolation and joy of his era. His hymns no longer testify to the great struggles of faith of early Christendom Luther sang about temptation and struggle; Paul Gerhardt sings, “Be satisfied and remain quiet”; Luther: The righteous one fights by our side”; Paul Gerhardt: “Keeper of my life, truly, it in in vain.” Luther sang: “Grant peace, we pray, in mercy Lord”; Paul Gerhardt: ”Command us your ways.” Luther sang about Christian celebrations with words of Scripture; Paul Gerhardt sang about Christian experience: “Why should I be troubled?” Paul Gerhardt died with one of these stanzas on his lips.

Bonhoeffer then turns his eyes to the song in Pietism with Zinzendorf and Gellert: The pietist seeks a devout life, the enlightener a reasonable life.
Regarding the revival song with Philipp Spitta and Julie Hausmann („So take my hands“), he notes:
It is an awakened religious life. But it all takes place alongside the church. It is pious poetry but not the preached word. The question is how this nineteenth-century faith will fare when genu-inely serious tribulations come upon the church. The tribulations came, and the response was the Church Struggle.

Dietrich Bonhoeffer, Presentation on the History of the Protestant Hymn (Student Notes), The Inner Life of the German Evangelical Church, DBW 14, 710 ff.

TEXT C

In his first letter from prison, on April 14th, Dietrich Bonhoeffer writes to his parents:
Forgive me for the worries I am causing you, but I believe that this time it is less myself than an adverse fate that is to blame. As an antidote it is good to read and memorize hymns of Paul Gerhardt, as I am currently doing.
In many letters from prison he finds refuge, comfort and clarity with Paul Gerhardt. In the first letter to his friend Eberhard Bethge, which is possible by circumventing censorship, he writes on November 18, 1943:
In the first twelve days here, during which I was kept isolated and treated as a dangerous crim-inal – to this day the cells on either side of mine are occupied almost exclusively by death-row prisoners in chains – Paul Gerhardt proved of value in unimagined ways, as well the Psalms and Revelation.
In his letter to Eberhard Bethge the day after the failed coup of July 20, 1944, Dietrich Bonhoef-fer writes:
I think you must be so often present in spirit with us here that you will be glad for every sign of life, even if our theological thoughts do preoccupy me incessantly, but then there are hours, too, when one is content with the ongoing processes of life and faith without reflecting on them Then the Daily Texts make you happy … And then returning to the beautiful Paul Gerhardt hymns makes one glad to have them in the repertoire. In the last few years I have come to know and understand more and more the profound this-worldliness of Christianity. The Chris-tian is not a homo religious but simply a human being, in the same way that Jesus was a hu-man being.

Dietrich Bonhoeffer, Letters and Papers from Prison, July 21, 1944, DBW 8, 541.

CONTEXT

Dietrich Bonhoeffer’s head and heart, the “theological thoughts” and the “ongoing processes of life and faith without reflecting on them” come together in prison. So singing becomes a ’new‘ song, “that makes someone a new person” in the “profound this-worldliness”. And so the way for his own „new“ song paves the way for him.

Paul Gerhardt songs, which are firmly established in the family tradition at festivals and during the church year, become Dietrich’s permanent hold and possession. The appreciation of the controversial orientation towards God’s Word in Luther’s songs is combined with the discovery described by Bonhoeffer in his letter of the 4th of Advent in 1943:
In these past few days I have discovered for myself the hymn »I stand her at your manger«. Up till now I had never really made much of it. Probably one has to be alone a long time and read it meditatively in order to be able to take it in. Every word is extraordinarily replete and radiant It’s just a little monastic- mystical, yet only as much as is warranted, for alongside the “we” there is indeed also an “I and Christ”, and what that means can scarcely be said better than in this hymn.

Bonhoeffer’s consolation poem for Maria and his family: „By Powers of Good“ has become a ’new song‘ for many people. It has the power to awaken hope, faith and trust in us today when we leave “darkness and worry and fear behind“ us, new.

So viel Widerstandskraft ! Bonhoeffer lesen in kritischen Zeiten (7) Zum 8. Mai 2020

Memorial and Place of Encounter Bonhoeffer-Haus Berlin

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The huge masquerade of evil


TEXT A

Die große Maskerade des Bösen hat alle ethischen Begriffe durcheinander gewirbelt. Dass das Böse in der Gestalt des Lichts, der Wohltat, des geschichtlich Notwendigen, des sozial Gerechten erscheint, ist für den aus unserer tradierten ethischen Begriffswelt Kommenden schlechthin verwirrend; für den Christen, der aus der Bibel lebt, ist es gerade die Bestätigung der abgründigen Bosheit des Bösen.

Dietrich Bonhoeffer, Wer hält stand? Nach zehn Jahren, Jahreswende 1942/43, DBW 8, 20.

TEXT B

Dummheit [ideologische Abhängigkeit und Verblendung] ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit … Um zu wissen, wie wir der Dummheit beikommen können, müssen wir ihr Wesen zu verstehen suchen. Soviel ist sicher, dass sie nicht [wesentlich] ein intellektueller, sondern ein menschlicher Defekt ist. Es gibt intellektuell außerordentlich bewegliche Menschen, die dumm sind, und intellektuell sehr Schwerfällige, die alles andere als dumm sind … Bei genauerem Zusehen zeigt sich, dass jede starke äußere Machtentfaltung, sei sie politischer oder religiöser Art, einen großen Teil der Menschen mit Dummheit schlägt. Ja, es hat den Anschein, als sei das geradezu ein soziologisch-psychologisches Gesetz. Die Macht der einen braucht die Dummheit der anderen … [Der Dumme] ist in einem Banne, er ist verblendet, er ist in seinem eigenen Wesen missbraucht, misshandelt. So zum willenlosen Instrument geworden, wird der Dumme auch zu allem Bösen fähig sein und zugleich unfähig dies als Böses zu erkennen. Hier liegt die Gefahr eines diabolischen Missbrauches, dadurch werden Menschen für immer zugrunde gerichtet werden können.

Aber es ist gerade hier auch ganz deutlich, dass nicht ein Akt der Belehrung, sondern allein ein Akt der Befreiung die Dummheit überwinden könnte. Dabei wird man sich damit abfinden müssen, dass eine echte innere Befreiung in den allermeisten Fällen erst möglich wird, nachdem die äußere Befreiung vorangegangen ist … Das Wort der Bibel, dass die Furcht Gottes der Anfang der Weisheit sei, sagt, dass die innere Befreiung des Menschen zum verantwortlichen Leben vor Gott die einzige wirkliche Überwindung der Dummheit ist.

Dietrich Bonhoeffer, Von der Dummheit, Nach zehn Jahren, 1942/43, DBW 8, 26 ff.

TEXT C

Die Kirche bekennt, die willkürliche Anwendung brutaler Gewalt, das leibliche und seelische Leiden unzähliger Unschuldiger, Unterdrückung, Hass, Mord, gesehen zu haben ohne ihre Stimme für sie zu erheben, ohne Wege gefunden zu haben, ihnen zu Hilfe zu eilen. Sie ist schuldig geworden am Leben der Schwächsten und Wehrlosesten Brüder Jesu Christi.

Dietrich Bonhoeffer, Schuld, Rechtfertigung, Erneuerung, Ethik-Manuskript 1940/41, DBW 6, 130.

KONTEXT

In der ersten und grundlegenden These der Barmer Theologischen Erklärung der Bekenntnis-synode von Barmen vom 29.-31. Mai 1934 wird die falsche Lehre verworfen, „als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer Verkündigung außer und neben [Jesus Christus] als dem „einen Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen.“ Dennoch scheint Dietrich Bonhoeffer der einzige zu sein, der als Theologe die psychologisch-sozialen Strukturen der Ideologie der Macht genauer, wenn auch aphoristisch, in den Blick genommen hat. Seine Einsichten, die Gedanken von Hannah Arendt ab den 50-er Jahren vorwegnehmen, entsprechen den ernüchternden Erfahrungen im Widerstand unter den Bedingungen der totalitären Herrschaft des Nationalsozialismus. Wo jede kritische Instanz – wie in der biblischen Tradition die „Furcht Gottes“ – ausgeschaltet ist, wird eine „echte innere Befreiung“ des Menschen erst möglich, „nachdem die äußere Befreiung vorangegangen ist.“

Doch die Einsicht, dass „jede starke äußere Machtentfaltung … einen großen Teil der Mensch-heit mit Dummheit schlägt“ spricht die so ‚Geschlagenen‘, auch die Kirche, keineswegs von ihrer Schuld frei. Dietrich Bonhoeffers Sätze zum Verstummen und Versagen der Kirche ge-genüber den Verbrechen gegen das 5. Gebot gehören zum frühesten Schuldbekenntnis in der NS-Zeit. Zum Bekenntnis der Schuld gegenüber den Juden waren die Vertreter der ‚Beken-nenden Kirche‘ auch beim ‚Stuttgarter Schuldbekenntnis‘ im Oktober 1945 nicht bereit. Sie waren damit konfrontiert, dass die Kapitulation in der deutschen Gesellschaft von vielen in der Bevölkerung nicht als Befreiung sondern als ein neues ‚Geschlagensein‘ empfunden wurde. An der Stelle der Erinnerung gähnte das Verstummen. Hannah Arendt schreibt in ihrem Essay ‚Besuch in Deutschland, Die Nachwirkungen des Naziregimes, 1950: „Die Gleichgültigkeit, mit der sich die Deutschen durch die Trümmer bewegen, findet ihre genaue Entsprechung darin, dass niemand um die Toten trauert.“ Und sie berichtet vom Kursieren von „Geschichten über die Leiden der Deutschen, die gegen die Leiden der anderen aufgerechnet würden, wobei die ‚Leidensbilanz‘ stillschweigend als ausgeglichen gelte.“ (in: Zur Zeit. Politische Essays. Ham-burg 1999, S. 43–70).

Umso höher ist das Geschenk eines neuen Anfangs der Beziehung mit den initiativen ökume-nischen Partnern einzuschätzen. Zu ihnen gehörte George Bell, Bischof von Chichester / UK. Mit Dietrich Bonhoeffer hat ihn nicht nur das Ziel der grenzüberschreitenden „Universal Christi-an Brotherhood“ verbunden, sondern auch das Bekenntnis Dietrich Bonhoeffers bei ihrem letz-ten Treffen am 31. Mai 1942, dass mit der militärischen Niederlage Deutschlands ein Akt der Buße verbunden sein müsse: “Christians do not wish to escape repentance, or chaos if God will to bring it on us.“ (George K. Bell, Diary Notes. 13.5.-11.6.1942, DBW 16, 80 ff.)

Zusammen mit Willem Visser’t Hooft, dem Generalsekretär des in Bildung begriffenen Ökumeni-schen Rats der Kirchen, verfasste Dietrich Bonhoeffer bei seiner zweiten Reise für die Abwehr in die Schweiz im September 1941 in Genf eine Stellungnahme zu William Patons Friedensschrift „The Church and the New Order in Europe“ (Juli 1941): Darin schrieb er: „Es kommt darauf an, ob in Deutschland eine staatliche Ordnung verwirklicht wird, die sich den Geboten Gottes verant-wortlich weiß. Das wird sichtbar werden an der restlosen Beseitigung des NS-Systems einschließ-lich und speziell der Gestapo, an der Wiederherstellung der Hoheit des gleichen Rechtes für alle, an einer Presse, die der Wahrheit dient, an der Wiederherstellung der Freiheit der Kirche, das Wort Gottes in Gebot und Evangelium aller Welt zu predigen. Die ganze Frage ist, ob man in England und Amerika bereit sein wird, mit einer Regierung zu verhandeln, die auf dieser Grundlage steht, auch, wenn sie zunächst nicht im angelsächsischen Sinn des Wortes demokratisch aussieht. Eine solche Regierung könnte sich plötzlich bilden. Es käme viel darauf an, ob sie dann mit der soforti-gen Unterstützung der Alliierten rechnen könnte.“ (DBW 16, 540 f.).


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So much strength to resist ! Read Bonhoeffer in critical time (7) May 8, 2020


The huge masquerade of evil


TEXT A

The huge masquerade of evil has thrown all ethical concepts into confusion. That evil should appear in the form of light, good deeds, historical necessity, social justice is absolutely bewil-dering for one coming from the world of ethical concepts that we have received. For the Chris-tians who live by the Bible, it is the very confirmation of the abysmal wickedness of evil.

Dietrich Bonhoeffer, Who Stands Firm? Prolog in Letters and Papers from Prison, DBW 8, 38.

TEXT B

Stupidity is a more dangerous enemy of the good than malice … If we want to know how to get the better of stupidity, we must seek to understand its nature. This much is certain, that it is in essence not an intellectual defect but a human one. There are human beings who are of remarkably agile intellect yet stupid, and others who are intellectually quite dull yet anything but stupid … Upon closer observation it becomes apparent that every strong upsurge of power in the public sphere, be it of a political or a religious nature, infects a large part of humankind with stupidity. It would even seem that this is virtually a sociological-psychological law. The power of the one needs the stupidity of the other … [The stupid person] is under a spell, blinded, misused, and abused in his very being. Having thus become a mindless tool, the stupid person will also be capable of any evil and at the same time incapable of seeing, that it is evil. This is where the danger of diabolic misuse lurks, for it is this that can once and for all destroy human beings.

Yet at this very point it becomes quite clear that only an act of liberation, not instruction, can overcome stupidity. Here we must come to terms with the fact that in most cases a general internal liberation becomes possible only when external liberation has proceeded it …The word of the Bible, that the fear of God is the beginning of wisdom declares that the internal liberation of human beings to live the responsible life before God is the only genuine way to overcome stupidity.

Dietrich Bonhoeffer, On Stupidity, Prolog in Letters and Papers from Prison, DBW 8, 43 ff.

TEXT C

The church confesses that it has witnessed the arbitrary use of brutal force, the suffering in body and soul of countless innocent people, that it has witnessed oppression, hatred, and murder without raising its voice for the victims and without finding ways of rushing to help them. It has become guilty of the lives of the weakest and most defenseless brothers and sisters of Jesus Christ.

Dietrich Bonhoeffer, Guilt, Justification, Renewal, Ethics-Manuscript 1940/41, DBW 6, 139.

CONTEXT

In the first and fundamental thesis of the Barmen Declaration of the Synod of the Confessing Church from 29th to 31st May 1934 the false doctrine is rejected, as though the church could and would have to acknowledge as a source of its proclamation, apart from and besides this one Word of God, still other events and powers, figures and truths, as God’s revelation.

Nevertheless, Dietrich Bonhoeffer seems to be the only one who, as a theologian, took a clos-er, view of the psychological and social structures of the ideology of power. His insights, which anticipate Hannah Arendt’s thoughts from the 1950s, correspond to the sobering experiences in resistance under the conditions of the totalitarian rule of National Socialism. Where every criti-cal instance – as in the biblical tradition the „fear of God“ – is eliminated, a „real inner liberation“ of man only becomes possible „after the external liberation has preceded.“

But the insight that „every strong upsurge of power … infects a large part of humankind with stupidity“ does not in any way release the ‘infected’, including the church, from their guilt. Die-trich Bonhoeffer’s sentences on the silence and failure of the church against the crimes against the fifth commandment belong to the earliest confession of guilt in the Nazi era. The represent-atives of the ‚Confessing Church‘ were not ready to confess the guilt towards the Jews even at the ‚Stuttgart Confession of Guilt‘ in October 1945.

They were faced with the fact that the unconditional surrender in German society was per-ceived by many in the population not as a liberation but as a being oppressed. The silence yawned in the place of the memory. Hannah Arendt wrote in her essay ‚Visit to Germany, The Aftermath of the Nazi Regime”, 1950 about the indifference with which the Germans move through the rubble finds its exact equivalent in the fact that nobody mourns the death. And she reports on the course of stories about the suffering of Germans, which would be set off against the suffering of others, whereby the ’suffering balance‘ is tacitly considered balanced. (in: Zur Zeit. Politische Essays. Hamburg 1999, S. 43–70).

The higher the gift of a new beginning of the relationship with the initiative’s ecumenical part-ners. They included George Bell, Bishop of Chichester / UK. With Dietrich Bonhoeffer, he was not only connected to the idea of the cross-border „Universal Christian Brotherhood“, but also to Dietrich Bonhoeffer’s confession at her last meeting on May 31, 1942, that Germany’s mili-tary defeat must be linked to an act of repentance: “Christians do not wish to escape repent-ance, or chaos if God will to bring it on us.“ (George K. Bell, Diary Notes. 13.5.-11.6.1942, DBW 16, 300).

Together with Willem Visser’t Hooft, the general secretary of the Ecumenical Council of Churches in formation, Dietrich Bonhoeffer wrote a statement on his second trip to Switzerland in Geneva in September 1941 on William Paton’s peace letter „The Church and the New Order in Europe” (July 1941): He wrote: “What matters is whether a state order in Germany is realized that acknowledges its responsibility to the commands of God. That will become evident in the total removal of the Nazi system, including and especially the Gestapo; in the restoration of the sovereignty of equal rights for all; in a press that serves the truth; in the restoration of the free-dom of the church to proclaim the word of God in command and gospel to all the world. The entire question is whether people in England and America will be prepared to negotiate with a government that is formed on this basis even if it initially does not appear to be democratic in the Anglo-Saxon sense of the word. Such a government could establish at once. Much would de-pend on whether it could count on the immediate support of the Allies. (DBW 16, 532).

So viel Widerstandskraft ! Bonhoeffer lesen in kritischen Zeiten (6) 3. Mai 2020

Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus
www.bonhoeffer-haus-berlin.de
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Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur;
das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.
Wochenspruch zum Sonntag Jubilate aus 2. Korinther 5,17
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TEXT A

Das Wunder der Auferstehung Christi hebt die Vergötzung des Todes, wie sie unter uns herrscht, aus den Angeln. Wo der Tod das Letzte ist, dort verbindet sich die Furcht vor ihm mit dem Trotz. Wo der Tod das Letzte ist, dort ist das irdische Leben alles oder nichts …
Wo aber erkannt wird, dass die Macht des Todes gebrochen ist, wo das Wunder der Auferste-hung und des neuen Lebens mitten in die Todeswelt hineinleuchtet, dort verlangt man vom Le-ben keine Ewigkeiten, dort nimmt man vom Leben, was es gibt, nicht Alles oder Nichts, son-dern Gutes und Böses, Wichtiges und Unwichtiges, Freude und Schmerz, dort hält man das Leben nicht krampfhaft fest, aber man wirft es auch nicht leichtsinnig fort, dort begnügt man sich mit der bemessenen Zeit und spricht nicht irdischen Dingen Ewigkeit zu, dort lässt man dem Tod das begrenzte Recht, das er noch hat. Den neuen Menschen und die neue Welt aber erwartet man allein von jenseits des Todes her, von der Macht, die den Tod überwunden hat. Der auferstandene Christus trägt die neue Menschheit in sich, das letzte herrliche Ja Gottes zum neuen Menschen … Die Nacht ist noch nicht vorüber, aber es tagt schon … Die Gestalt Jesu Christi ist es, die der Welt siegreich begegnet. Von dieser Gestalt geht alle Gestaltung einer mit Gott versöhnten Welt aus.
Dietrich Bonhoeffer, Ethik als Gestaltung, 1940, DBW 6, 78 ff.

TEXT B

Wie magst Du Ostern verbracht haben? Ob Du in Rom warst? Wie bist du der Sehnsucht nach Hause Herr geworden? … Ich finde, dass die ersten warmen Frühlingstage etwas an mir rei-ßen; das wird Dir ähnlich gehen. Wenn die Natur wieder zu sich zurückfindet, aber das eigene Leben und die geschichtlichen Gemeinschaften, in denen wir leben, noch in ungelöster Span-nung verharren, dann empfinden wir den Zwiespalt besonders stark; oder eigentlich ist es wohl gar nichts anderes als Sehnsucht, und es ist vielleicht ganz gut, dass wir diese wieder einmal stark empfinden; von mir persönlich muss ich jedenfalls sagen, dass ich viele Jahre lang zwar nicht ohne Ziele und Aufgaben und Hoffnungen, in denen man ganz aufging, aber doch ohne persönliche Sehnsucht gelebt habe; und man ist vielleicht dadurch vorzeitig alt geworden. Alles ist dadurch zu „sachlich“ geworden; Ziele und Aufgaben haben heute fast alle Menschen, alles ist ungeheuer versachlicht, verdinglicht, aber wer leistet sich heute noch ein starkes persönli-ches Gefühl, eine wirkliche Sehnsucht, wer macht sich die Mühe und wer verschwendet seine Kraft darauf, eine Sehnsucht in sich auszutragen, zu verarbeiten und ihre Früchte tragen zu lassen?
Dietrich Bonhoeffer, Brief vom 11.4.1944 an Eberhard Bethge, DBW 8, 389 f.

KONTEXT

Das sind zwei ganz unterschiedliche Texte, die sich auf das Wunder der Auferstehung und auf Ostern beziehen. Sie zeigen – nebeneinander gestellt – wie im Leben und Werk Dietrich Bon-hoeffers Kopf und Herz, theologische Erkenntnis und sinnliche Erfahrung zusammengehören. Diese Verbindung hat für mich – und ich denke, auch für viele andere – in der Begegnung mit ihm eine besondere Bedeutung.

Theologische Erkenntnis und sinnliche Empfindung stehen bei Bonhoeffer beide unter dem Vorbehalt des Zwiespalts, der Sehnsucht.

In der Haft lebt Dietrich Bonhoeffer intensiv mit dem Kirchenjahr. Dessen Struktur gibt seinem Aushalten bis zum erwarteten Umsturzversuch inneren Halt. Ein Jahr nach seiner Verhaftung schreibt er am 11.4.1944 an Eberhard Bethge:
„Die Zeit zwischen Ostern und Himmelfahrt habe ich seit langem besonders geliebt. Auch hier geht es ja um eine große Spannung. Wie sollen Menschen wohl irdische Spannungen aushal-ten, wenn sie von der Spannung zwischen Himmel und Erde nichts wissen?“

Wie halten wir den Zwiespalt aus, wenn „die ersten warmen Frühlingstage“ an uns reißen und unsere innere Natur sich danach sehnt, sich der äußeren Natur anzuschließen, wenn uns nur nicht das Virus, das auch zur Natur gehört, daran hindern würde? Wie gelingt es uns in unse-rem Beten und Tun, dass wir uns nicht um uns selber drehen und der vorgeschriebene Abstand von 1,50 m vom Andern zur eingeschriebenen gefühlt unendlichen Distanz wird? Wie bleiben wir einander verbunden und nehmen die Not der nahen und fernen Andern wahr und achten zusammen mit Andern darauf, niemand zurückzulassen?

„Von der Spannung zwischen Himmel und Erde“ zu wissen bedeutet für Dietrich Bonhoeffer, auf die Überwindung des Todes durch den auferstandenen Christus zu vertrauen. Der Zwie-spalt bleibt erhalten, die Sehnsucht bleibt lebendig: „Die Nacht ist noch nicht vorüber, aber es tagt schon.“

In der tagenden Nacht erfahren die Glaubenden die Welt in doppelter Weise: als den Ort der „Vergötzung des Todes“ und zugleich als den Ort des Lebens, in die „das Wunder der Auferste-hung und des neuen Lebens mitten in die Todeswelt hineinleuchtet.“ JUBILATE!

Die Erwartung des „neuen Menschen“ und der „neuen Welt“ ist nicht allein dem christlichen Glauben eigen. Sie begegnet uns auch in anderen Religionen und Ideologien und kann politisch missbraucht werden. Zur Zeit Bonhoeffers ist das im NS-Staat von diesseits her, innerweltlich – mit allen Zeichen der „Vergötzung des Todes“ – geschehen. Die Erwartung „allein von jenseits des Todes her, von der Macht, die den Tod überwunden hat“, ist keine Flucht aus der Diesseitig-keit, sondern diesseitiger Widerstand gegen diesen Missbrauch. Diese Erwartung erinnert an die 1. These der Theologischen Erklärung der Bekenntnissynode von Barmen:

„Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben.
Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer Verkündi-gung außer und neben diesem einen Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen.“

Das „neue Leben“ gewinnt Gestalt in unserer neuen Zuwendung zum Leben. Sie widersteht Kräften der „Vergötzung des Todes“, des Hasses, der Entrechtung, der Gewalt, des Krieges und seiner Vorbereitung. Sie „nimmt … vom Leben, was es gibt“ und wird so der Wirklichkeit gerecht. Sie übernimmt Verantwortung für das eigene Leben und das Leben der Andern.
„Das letzte herrliche Ja Gottes zum neuen Menschen“ ermutigt uns zum Handeln im Bereich des Vorletzten, geleitet von der Vision der „Gestaltung einer mit Gott versöhnten Welt.“

Christus, Licht der ganzen Welt,
nimmt der Finsternis die Macht,
alles wird ins Licht gestellt,
was die Welt gefangen hält.

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If anyone is in Christ, there is a new creation:
everything old has passed away; see, everything has become new!
Bible for Sunday Jubilate from 2 Corinthians 5:17
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TEXT A

The miracle of Christ’s resurrection has overturned the idolization of death that rules among us … Where death is final, earthly life is all or nothing …
Where, however, it is recognized that the power of death has been broken, where the miracle of the resurrection and new life shines right into the world of death, there one demands no eter-nities from life. One takes from life what it offers, not all or nothing, but good things and bad, important things and unimportant, joy and pain. One doesn’t cling anxiously to life, but neither does one throw it lightly away. One is content with measured time and does not attribute eterni-ty to earthly things. One leaves to death the limited right that it still has. But one expects the new human being and the new world only from beyond death, from the power that has con-quered death.
Within the risen Christ the new humanity is borne, the final, sovereign Yes of God to the new human being … The night is not yet over; but day is already dawning … The form of Jesus Christ alone victoriously encounters the world. From this form proceeds all the formation of a world reconciled with God.

Dietrich Bonhoeffer, Ethics as Formation, 1940, DBW English Version, volume 6, 91 f.

TEXT B

How did you spend Easter? Where you in Rome? How did you manage your homesickness? … For me the first warm days of spring are somehow wrenching, as they probably are for you. When nature comes into its own again but the tensions in our own lives and the historical com-munities in which we live remain unresolved, we feel the split especially strongly. Or it may just be a sense of longing, and perhaps it’s good for us to long for something again. For myself at any rate I must say that for many long years I have been living, not without goals and work to do and hopes that completely absorbed me, but without personal yearnings, and perhaps that makes one old before one’s time. Everything has become too “objective” [sachlich]. Almost everyone nowadays has goals and work to do. It’s all tremendously objectified and thingified. But who today can still afford strong personal feelings, real yearnings, and take the trouble and spend the energy to carry around a sense of longing within him, to explore it and let it bear fruit?

Dietrich Bonhoeffer, Letter from April 11, 1944 to Eberhard Bethge, DBW English Version, vol-ume 8, 351.

CONTEXT

These are two very different texts related to the miracle of resurrection and Easter. When placed side by side, they show how head and heart, theological knowledge and sensual experi-ence belong together in Dietrich Bonhoeffer’s life and work. This connection has a special meaning for me – and I think also for many others – in the encounter with him.

Bonhoeffer’s theological knowledge and sensual sensation are both subject to split, longing.

In prison, Dietrich Bonhoeffer lives intensely with the church year. Its structure gives it inner support especially until the execution of the plot. One year after his arrest, he wrote to Eber-hard Bethge on April 11, 1944:

“I have long had a particular affection for this season between Easter and Ascension Day. Here, too, there is a great tension. How should people endure tensions here on earth when they know nothing of the tension between heaven and earth?”

How do we endure the split when “the first warm days of spring” are upon us and our inner na-ture longs to join the outer nature, if only the virus, which is also part of nature, would not pre-vent us from doing so? How do we succeed in our praying and doing that we do not turn about ourselves and the prescribed distance of 1.50 m from the other becomes the inscribed felt infi-nite distance? How do we stay connected to each other and perceive the needs of the near and distant others and, together with others, take care not to leave anyone behind?

For Dietrich Bonhoeffer, knowing “the tension between heaven and earth” means trusting in the conquest of death by the risen Christ. The split still exists, the longing remains alive: „The night is not yet over; but day is already dawning.“

In the early morning dawn, believers experience the world in two ways: as the place of „the idolization of death“ and at the same time as the place of life into which „the miracle of the res-urrection and new life shines into the world of death.“ JUBILATE!

The expectation of the „new human being“ and the „new world“ is not a unique characteristic of the Christian faith. It also occurs in other religions and ideologies and it can be politically mis-used. In Bonhoeffer’s time this happened from this side, within the world – with all the signs of „idolization of death“ – in the Nazi state. The expectation “only from beyond death, from the power that has conquered death” is not an escape from this world, but resistance against this abuse on this side. This expectation is reminiscent of the first thesis of the theological declara-tion of the Barmen Confession:

“Jesus Christ, as he is attested for us in holy scripture, is the one Word of God which we have to hear and which we have to trust and obey in life and in death.
We reject the false doctrine, as though the church could and would have to acknowledge as a source of its proclamation, apart from and besides this one Word of God, still other events and powers, figures and truths, as God’s revelation.”

The „new life“ takes shape in our new focus on life. It resists forces of „idolization of death“, hatred, disenfranchisement, violence, war and its preparation. It „takes … from life what it of-fers“ and thus does justice to reality. It takes responsibility for the own life and the lives of oth-ers.
“The final, sovereign Yes of God to the new human being” encourages us to act in the area of the penultimate, guided by the vision to be part of the “formation of a world reconciled with God.”

Christ, light of the whole world,
takes power from the darkness,
everything is put in the light
what keeps the world captive.

So viel Widerstandskraft ! Bonhoeffer lesen in kritischen Zeiten (5)

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Gottes Wege mit uns: „durch grüne Auen und durch das finstere Tal“ (Psalm 23)

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TEXT

Gottes Wege sind die Wege, die er selbst gegangen ist und die wir nun mit ihm gehen sollen. Keinen Weg lässt uns Gott gehen, den er nicht selbst gegangen wäre und auf dem er uns nicht voranginge. Es ist der von Gott gebahnte und von Gott geschützte Weg, auf den er uns ruft. So ist es wirklich Sein Weg …

Mit Gott tritt man nicht auf der Stelle, sondern man beschreitet einen Weg. Es geht voran oder man ist nicht mit Gott. Gott kennt den ganzen Weg, wir wissen nur den nächsten Schritt und das letzte Ziel. Es gibt kein Stehenbleiben, jeden Tag, jede Stunde geht es weiter. Wer seinen Fuß auf diesen Weg gesetzt hat, dessen Leben ist eine Wanderschaft geworden. Er geht durch grüne Auen und durch das finstere Tal, aber der Herr wird ihn immer auf der rechten Straße führen (Psalm 23) und „er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen (Psalm 121,3).

Die ganze Heilsbotschaft des Evangeliums kann als „der Weg“ schlechthin (Apostelgeschichte 19,9; 22,4; 24,14) oder als „Weg Gottes“ (Apostelgeschichte 18,25f.) bezeichnet werden. So wird es deutlich dass das Evangelium und der Glaube nicht eine zeitlose Idee, sondern ein Handeln Gottes und des Menschen in der Geschichte sind.

Dietrich Bonhoeffer, Meditation über Psalm 119 (Vers 3), 1939/1940, DBW 15, 507 f.

KONTEXT

Dietrich Bonhoeffer hat Psalm 119 besonders geliebt. Es ist der längste Psalm, kunstvoll gebaut mit Versanfängen, die dem hebräischen Alphabet folgen. Der Tora als dem von Gott offenbarten ‚Weg der Vollkommenheit‘ widerspricht die Lebensrealität mit den Erfahrungen von Unrecht, Lüge, Habgier, Gewalt, Frevel, Not, Kummer, Elend und Schande, aber auch Stillstand, wo es voran gehen müsste. In seinem Vertrauen  birgt sich der Betende in der Schutzburg der Tora, der unerschütterlichen Weltordnung. In der betenden Meditation wird die Tora zum ‚Evangelium‘, der frohen Botschaft von Gottesgegenwart und Lebensfreude.

Psalm 23 beschreibt die schützende Gottesgegenwart und Lebensfreude mit der Metapher vom guten Hirten, der uns durch die Todschattenschlucht hindurch begleitet, und vom großzügigen Gastgeber, der uns im Angesicht der Feinde (ich verbinde damit konkrete Konflikte, Ängste, Bedrohungen) den Tisch deckt. 

(Literatur: Erich Zenger, Stuttgarter Psalter.  Mit Einleitungen und Kurzkommentaren, Katholisches Bibelwerk Stuttgart, 2005)

In existenzbedrohenden Krisen können wir die gewohnten Wege nicht mehr gehen.  Wenn wir nur auf den eigenen Weg schauen, werden wir nicht aus der Not herausfinden. Die unterschiedlichen, auch widersprüchlichen Wegweisungen von allen Seiten verwirren uns. Worauf können wir vertrauen?

Museen beginnen bereits, Fundstücke aus der Zeit der Corona-Krise zu sammeln – für später.

Warum suchen wir nicht – für jetzt – nach den Fundstücken unseres Vertrauens, das uns durch frühere Krisen hindurch geleitet hat? Wir können so – ‚von hinten herein gesehen‘ – prüfen, ob und wie sie uns geholfen haben. Ob sie uns auch jetzt helfen können? Biblische Erzählungen, Gebete und Bekenntnisse sind solche Fundstücke. Dietrich Bonhoeffer ist davon überzeugt, dass es nicht nur auf unsere Wege, sondern auf Gottes Wege mit uns ankommt.  Gott nimmt uns mit in die Zukunft. Das hebt unseren Blick über die nächsten Schritte hinaus und lässt uns jetzt an der Verwirklichung von Grundsätzen einer gerechteren und solidarischeren Gesellschaft betend und handelnd, verantwortlich und konkret mitwirken.

„Gottes Wege sind die Wege, die er selbst gegangen ist und die wir nun mit ihm gehen sollen.“

Christus, Hirte deines Volks,

leb mit uns, mach uns vertraut

mit des Vaters nahem Wort,

das uns trifft an unsrem Ort.

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So much strength to resist ! Read Bonhoeffer in critical times (5) April 26, 2020

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Ways with us: „through the lush pastures and through the dark valley“ (Psalm 23)

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TEXT

God’s ways are the ways that he has tread before and that we are to walk with him now. God does not allow us to walk a path that he has not walked before and on which he would not precede us. It is the way cleared by God and protected by God on which he calls us. This is truly His way …

With God, one does not just mark time but one walks along a path. Either one moves ahead or one is not with God. God knows the entire way; we only know the next step and the final goal. There is no standing still; every day, every hour, one progresses. The life of whoever has set his foot on this path has become a wandering. He walks through the lush pastures and through the dark valley, but the Lord will always lead him on the right path (Psalm 23) and “he will not let your foot be moved” (Psalm 121:3).

The entire gospel message of salvation can be called simply “the way” (Acts 19:9; 22:4; 24:14) or the “way of God” (Acts 18:25, 26). In this way it becomes clear that the gospel and faith are not a timeless idea but an action of God and of the human being in history.

Dietrich Bonhoeffer, Meditation on Psalm 119 (Vers 3), 1939/1940, DBW English Version,  volume 15, 504.

CONTEXT 

Dietrich Bonhoeffer particularly valued Psalm 119. It is the longest psalm, artistically arranged the letters at the beginning of the verse in the order of the Hebrew alphabet. The Torah as the ‚path of perfection‘ revealed by God contradicts the reality of life with the experiences of injustice, lies, greed, violence, wickedness, need, grief, misery and shame, but also standstill where it should go. In his trust, the praying person hides in the protective castle of the Torah, the unshakable world order. In the praying meditation, the Torah becomes the ‚gospel‘, the good news of the presence of God and the joy of life.

Psalm 23 describes the protective presence of God and joy of life with the metaphor of the good shepherd who accompanies us through the lush pastures and the Death Shadow Gorge and the generous host who sets the table for us in the face of the enemy (I associate it with specific conflicts, fears, threats).

Literatur: Erich Zenger, Stuttgarter Psalter.  Mit Einleitungen und Kurzkommentaren, Katholisches Bibelwerk Stuttgart, 2005

We cannot go the usual ways in existential crises. If we only look at our own path, we will not find our way out of need. The different, even contradictory directions, that are offered to us  from all sides confuse us. What can we trust?

Museums are already beginning to collect memorabilia from the time of the Corona crisis – for later. Why don’t we – for now – look for the memorabilia of our trust that have guided us through previous crises? In this way, we can check – seen from today – whether and how they helped us. Can they help us also now? Biblical stories, prayers and confessions are such memorabilia. Dietrich Bonhoeffer is convinced that it is not only our way that matters, but God’s way with us. God takes us into the future. This raises our view beyond the next steps and now allows us to pray, act, be responsible and concrete in the implementation of the principles of a fairer and more solidary society.

„God’s ways are the ways that he has tread before and that we are to walk with him now.“

Christ, shepherd of your people,

live with us, share with us

the Father’s word

that speaks to us in our lives.