So viel Widerstandskraft ! Bonhoeffer lesen in kritischen Zeiten (1) Sonntag 29. März 2020

Dietrich Bonhoeffer

Einige Glaubenssätze über das Walten Gottes in der Geschichte

Ich glaube,

dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will.

Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.

Ich glaube,

dass Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. 

Aber er gibt sie nicht im voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.

Ich glaube,

dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind, und dass es Gott nicht schwerer ist, mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten,

Ich glaube,

dass Gott kein zeitloses Fatum ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.

Dietrich Bonhoeffer, Rechenschaft an der Wende zum Jahr 1943 – Nach zehn Jahren, in: Widerstand und Ergebung, Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft, Dietrich Bonhoeffer Werke, Band 8, 30f., Christian Kaiser / Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1998

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„Widerstand und Ergebung“ – das ist der Titel, den Eberhard Bethge den Briefen und Aufzeichnungen Dietrich Bonhoeffers aus der Haft bei der Erstveröffentlichung 1951 gegeben hat. Bethge bezieht sich dabei auf den Brief  Bonhoeffers vom 21. Februar 1944, in dem er sich Gedanken macht über die „Grenzen zwischen Widerstand und Ergebung“.

In seiner „Rechenschaft an der Wende zum Jahr 1943 – Nach zehn Jahren“, die er sich selbst und den Mitverschworenen Eberhard Bethge, Hans v. Dohnanyi und Hans Oster gibt, spricht Bonhoeffer von der „Widerstandskraft“. Politischer Widerstand und innere Widerstandskraft aus dem Glauben heraus gehören für ihn zusammen.

Auch im Krisenmodus von Isolation und Quarantäne, der Einschränkung unserer ‚leiblichen‘ Beziehungen und der Sorge um den Verlust von Arbeitsplätzen und Zukunftsperspektiven können wir in Bonhoeffers Gedanken Orientierung und Ermutigung für unseren Geist und unsere Seele finden.

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So much strength to resist ! Read Bonhoeffer in critical times (1) Sunday 29 March 2020

Some Statemens of Faith on God’s Action in History

„I believe

that God can and will let good come out of everything, even the greatest evil.

For that to happen, God needs human beings who let everything work out for the best.

I believe

that in every moment of distress God will give us as much strength to resist as we need.

But it is not given to us in advance, lest we rely on ourselves and not on God alone.

In such faith all fear of the future should be overcome.

I believe

that even our mistakes and shortcomings are not in vain and that it is no more difficult for God to deal with them than with our supposedly good deeds.

I believe

that God is no timeless fate but waits for and responds to sincere prayer and responsible actions.“

Dietrich Bonhoeffer Works, Volume 8, Letters and Papers from Prison, Prologue, p. 46, Fortress Press, Minneapolis 2009.

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„Widerstand und Ergebung“ (resistance and submission / acquiescence) – this is the title that Eberhard Bethge gave Dietrich Bonhoeffer’s letters and papers from prison when it was first published in 1951.

Bethge refers to Bonhoeffer’s letter of February 21, 1944, in which he considers “the line between necessary resistance to ‘fate’ and equally necessary submission”.

In his „Account at the Turn of the year 1942-1943 – After Ten Years“ for himself and his co-conspirators Eberhard Bethge, Hans v. Dohnanyi and Hans Oster, Bonhoeffer speaks of “the strength of resistance”. For him, political resistance and the inner strength of resistance from faith belong together.

Especially in critical times of isolation and quarantine, the restriction of our ‚physical‘ relationships and the worry about losing jobs and future prospects, we can find orientation and encouragement for our mind and soul in Bonhoeffer’s thoughts.

Gedenken (Andacht) am Gründonnerstag, 9. April 2020

Gedenktafel Flossenbürg

Vor 75 Jahren – Hinrichtungen im KZ Flossenbürg, KZ Sachsenhausen und Berlin

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Hinweis:

Wegen der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Virus-Pandemie können/konnten wir die geplante Andacht am 9. April 2020 in der Bonhoeffer Erinnerungs- und Begegnungsstätte in der Marienburger Allee 43 nicht persönlich halten. Wir laden Sie auf diesem Wege ein, die von uns verwendeten Texte zu lesen, zu beten und für die Ermordeten eine Kerze zu entzünden.

Es grüßen aus der Begleitgruppe

Ralf Herold, Pfarrer i.R. Michael Kennert,

Pfarrer i. R. Kurt Kreibohm, Ingrid Portmann

Losung des Todestages 9.4. 1945:

Hiob 10, Vers 12: „Leben und Wohltat hast Du an mir getan, und Dein Aufsehen bewahrt meinen Odem“.

Losung und Lehrtext des 9.4. 2020:

Losung aus Sacharja 8,21 :„Lasst uns gehen, den HERRN anzuflehen und zu suchen den HERRN Zebaoth; wir wollen mit Euch gehen.“

Lehrtext aus Markus 14,26: „Als sie den Lobgesang gesungen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg“.

Erinnerung an die Tage bis zum 9. April 1945

(Grundlage: Texte von Eberhard Bethge, Gottfried Brezger und Wolfgang Huber; siehe Quellenangaben im Anhang )

Nach anderthalb Jahren im Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Tegel brachte Dietrich Bonhoeffer die Zeit von Oktober 1944 bis Februar 1945 im Berliner Hausgefängnis der Gestapo zu. Auf dem Gelände an der Niederkirchner Straße, die damals Prinz-Albrecht-Straße hieß, wird heute die Ausstellung Topographie des Terrors gezeigt.

Dann wurde er für zwei Monate in das Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar transportiert. Die Gruppe von Gefangenen, zu der er gehörte, landete schließlich im Schulhaus von Schönberg im Bayerischen Wald. Nun war durch den Zossener Aktenfund eindeutig geklärt, wie eng Hans von Dohnanyi, Dietrich Bonhoeffer und andere an der Konspiration gegen Hitler beteiligt waren. Der «Führer» selbst befahl am 5. April 1945 ihre alsbaldige Exekution.

Wenn wir uns an Dietrich Bonhoeffers gewaltsamen Tod erinnern, gehören die Mitverschworenen im militärischen Widerstand in der Abwehr des Oberkommandos der Wehrmacht dazu: Admiral Wilhelm Canaris, Generalmajor Hans Oster, Generalstabsrichter Dr. Karl Sack, Hauptmann der Reserve Dr. Ludwig Gehre und Hauptmann der Reserve Dr. Theodor Strünck. (siehe Fotos)

Zu ihnen gehört auch Reichsgerichtsrat Dr. Hans v. Dohnanyi, der am selben Tag in Sachsenhausen umgebracht wurde. Auch an Georg Elser, Hitlers ersten Attentäter vom 8. Nov. 1939, ist 75 Jahre nach seiner Ermordung im KZ Dachau zu erinnern.

Unter den Geiselgefährten Dietrich Bonhoeffers, den Sonderhäftlingen, die mit ihm gemeinsam den Leidensweg von Buchenwald bis Schönberg gingen, war auch General Dr. phil. Friedrich v. Rabenau, mit dem er in Buchenwald die Zelle teilte und der vermutlich am 15. April in Flossenbürg ermordet wurde. Zu den Sonderhäftlingen gehörten außerdem seit Buchenwald Staatssekretär Dr. Hermann Pünder, Squadron Leader (Major) Hugh M. Falconer, Captain Payne Best und Leutnant Kokorin, ein Neffe Molotows, Fregattenkapitän Franz Liedig und Dr. Josef Müller.

Am 8. April, dem Sonntag nach Ostern, hielt Dietrich Bonhoeffer im Schönberger Schulhaus auf Bitten seiner Mitgefangenen einen Gottesdienst.

Pünder hatte den Einfall, Bonhoeffer um eine Morgenandacht zu bitten; aber dieser wollte nicht. Die Mehrzahl der Kameraden war katholisch. Und da war der junge Kokorin; Bonhoeffer hatte seine Berliner Anschrift gegen dessen Moskauer ausgetauscht, aber mit einem Gottesdienst wollte er ihn nicht überfallen. Dann aber war Kokorin dafür, und so hielt Bonhoeffer auf allgemeinen Wunsch die Andacht. Er las die Texte zum Sonntag Quasimodogeniti, sprach Gebete und legte seinen Kameraden die Losung des Tages aus: »Durch seine Wunden sind wir geheilt « (Jes. 53,5) und »Gelobet sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten….“ (1. Petrus 1,3)

Kurz darauf kamen zwei Polizisten, um ihn mitzunehmen. Seine letzten, an seinen Freund George Bell, den Bischof von Chichester, gerichteten Worte vor dem Abschied, die er dem mitgefangenen britischen Offizier Payne Best auf Englisch sagte, lauteten:

»Will you give this message from me to the Bishop of Chichester, ‘tell him that for me this is the end but also the beginning – with him I believe in the principle of our Universal Christian brotherhood which rises above all national hatreds, and that our victory is certain – tell him too, that I have never forgotten his words at our last meeting«.

Payne Best fügte hinzu:

“He gave me this message twice in the same words, holding my hand firmly in his and speaking with emotional earnestness”.

(Deutsche Übersetzung:)

«Wollen Sie diese Botschaft von mir dem Bischof von Chichester ausrichten:

, Sagen Sie ihm, dass dies für mich das Ende ist, aber auch der Beginn. Mit ihm glaube ich an den Grundsatz unserer universalen christlichen Geschwisterschaft, die sich über alle nationalen Hassgefühle erhebt, und daran, dass unser Sieg gewiss ist. Sagen Sie ihm auch, dass ich nie seine Worte bei unserer letzten Begegnung vergessen habe.‘ – Er gab mir diese Botschaft zweimal mit den denselben Worten, hielt meine Hand dabei fest in der seinen und sprach mit leidenschaftlichem Ernst.»

Bischof Bell selbst hat diese letzten Worte berichtet; Payne Best hatte sie ihm auch schriftlich mitgeteilt. (DBW16, S. 468)

Bonhoeffer wurde danach in das Konzentrationslager Flossenbürg bei Weiden in der Oberpfalz gebracht und dort noch am selben Tag einem standgerichtlichen Verfahren unterworfen. Am folgenden Tag, dem 9. April 1945, morgens zwischen 6 und 7 Uhr, wurde er als letzter von sieben zum Tode Verurteilten ums Leben gebracht.

Immer wieder werden die Sätze zitiert, mit denen der zuständige KZ-Arzt Bonhoeffers Tod später schilderte. In einem Nebenraum sah er «Pastor Bonhoeffer in innigem Gebet mit seinem Herrgott knien» und war erschüttert von der «hingebungsvolle[n] und erhörungsgewisse[n] Art des Gebetes dieses außerordentlich sympathischen Mannes». Auch ein weiteres kurzes Gebet erwähnt er, nach dem Bonhoeffer «dann mutig und gefasst die Treppe zum Galgen» beschritt. «Der Tod erfolgte nach wenigen Sekunden.»

Diese Schilderung soll anrührend sein; sie ist jedoch eine dreiste Beschönigung. Einen Galgen gab es aller Wahrscheinlichkeit nach im Konzentrationslager Flossenbürg nicht; es führte auch keine Treppe zum Ort der Exekution. Ähnlich wie in Berlin-Plötzensee muss man eher von einem Haken an einem aus der Wand herausragenden Balken ausgehen, in den die Hinrichtungsstricke eingehängt wurden.

Die Stiege, auf der die Verurteilten nackt ihre letzten Schritte zurückzulegen hatten, kann man sich nicht provisorisch genug vorstellen. Dass der Tod tatsächlich innerhalb von Sekunden eintrat, ist wenig wahrscheinlich; denn die Haken gaben nach, der Todeskampf, bei dem die Verurteilten sich durch ihr Gewicht selbst erdrosselten, konnte längere Zeit dauern. Kein Wunder, dass die sieben Hinrichtungen eine ganze Stunde in Anspruch nahmen.

Ein grausames Sterben war es, das auf einen Justizmord folgte. Denn darum handelte es sich bei dem standgerichtlichen Verfahren gegen Bonhoeffer und seine Mitgefangenen ebenso wie bei dem am Vortag durchgeführten Verfahren gegen Hans von Dohnanyi in Sachsenhausen.

„In seiner Rechenschaft an der Wende zum Jahr 1943 – Nach zehn Jahren“ schreibt Dietrich Bonhoeffer:

„Die letzte verantwortliche Frage ist nicht, wie ich mich heroisch aus der Affäre ziehe, sondern wie eine kommende Generation weiterleben soll.“ (DBW 8, S. 25)

Die kommenden Generationen mussten ohne Dietrich Bonhoeffer, seinen Bruder Klaus, seine Schwäger Hans von Dohnanyi und Rüdiger Schleicher, Helmuth James v. Moltke, Alfred Delp, Adam v. Trott zu Solz, die Opfer der Roten Kapelle, ohne die Opfer aus dem sozialdemokratischen und kommunistischen Widerstand weiterleben. Das hat sich in der Restauration der jungen Bundesrepublik ausgewirkt.

„Wie eine kommende Generation weiterleben soll“ – dafür haben Menschen im Widerstand gegen die NS-Tyrannei ihr Leben eingesetzt. So wurden sie zu Wegbereitern für das Letzte, für die Versöhnung Gottes, die in der unversöhnten Welt mit der Auferstehung Christi schon begonnen hat, Wirklichkeit zu werden.

Nach dem Ende der Tyrannei schrieb Vater Dr. Karl Bonhoeffer an einen Kollegen:

„Die Jahre hindurch stand man unter dem Druck der Sorge um die Verhafteten und die noch nicht Verhafteten, aber Gefährdeten. Da wir aber alle über die Notwendigkeit zu handeln einig waren und meine Söhne (und Schwiegersöhne) auch sich im Klaren waren, was ihnen bevorstand im Falle des Misslingens des Komplotts und mit dem Leben abgeschlossen hatten, sind wir wohl traurig, aber auch stolz auf ihre gradlinige Haltung.“

Dietrich Bonhoeffer zum Thema Sterben und Tod

Der fremde und der eigene Tod (20.09. 1939 )

(DBW 15, S,. 271 f.)

Der Tod ist wieder mitten unter uns getreten, und wir müssen uns, ob wir wollen oder nicht, Gedanken über ihn machen. Zweierlei ist mir in der letzten Zeit dabei wichtig geworden: der Tod ist außerhalb unser selbst und er ist in uns. Der Tod von außen ist der schreckliche Feind, der an uns herantritt, wann er will. Er ist der Sensenmann, unter dessen Schlag die Blume abfällt. Er lenkt die Kugel, daß sie trifft. Wir können

nichts wider ihn, »hat Gewalt vom höchsten Gott«. Er ist der Tod des ganzen Menschengeschlechts, Gottes Zorn und Ende alles Lebens.

Aber das andere ist der Tod in uns, er ist unser eigener Tod. Auch er liegt in uns seit Adams Fall. Aber er gehört uns selbst zu. Wir sterben ihn in Jesus Christus täglich oder wir verweigern ihn. Dieser Tod in uns hat mit der Liebe zu Christus und den Menschen etwas zu tun. Wir sterben ihn, wenn wir Christus und die Brüder von Herzen lieben; denn Lieben heißt sich dem ganz hingeben, den man liebt. Dieser Tod ist Gnade und ist Vollendung des Lebens. Daß wir diesen Tod sterben, daß es uns geschenkt wird, daß uns der Tod von außen erst antrifft, wenn wir durch diesen eigenen Tod für ihn bereit gemacht sind, das darf unser Gebet sein; dann ist unser Tod wirklich nur der Durchgang zur vollendeten Liebe Gottes.

Wenn um uns herum Streit und Tod ihre wilde Herrschaft üben, dann sind wir aufgerufen, nicht nur durch Worte und Gedanken, sondern auch durch die Tat Gottes

Liebe und Gottes Frieden zu bezeugen………. Täglich wollen wir uns fragen, wo wir

durch die Tat Zeugnis geben können für das Reich, in dem Liebe und Friede herrscht. Nur aus dem Frieden zwischen zweien und dreien kann der große Friede einmal erwachsen, auf den wir hoffen. Laßt uns allem Haß, Mißtrauen, Neid, Unfrieden, wo wir nur können ein Ende machen. »Selig sind die Friedfertigen, denn sie sollen Gottes Söhne heißen.«

Stationen auf dem Weg zur Freiheit

(vom 21. Juli 1944; DBW 8,570)

Zucht

Ziehst du aus, die Freiheit zu suchen, so lerne vor allem Zucht der Sinne und deiner Seele, dass die Begierden und deine Glieder dich nicht bald hierhin, bald dorthin führen.

Keusch sei dein Geist und dein Leib, gänzlich dir selbst unterworfen und gehorsam, das Ziel zu suchen, das ihm gesetzt ist.

Niemand erfährt das Geheimnis der Freiheit, es sei denn durch Zucht.

Tat

Nicht das Beliebige, sondern das Rechte tun und wagen, nicht im Möglichen schweben, das Wirkliche tapfer ergreifen, nicht in der Flucht der Gedanken, allein in der Tat ist die Freiheit.

Tritt aus ängstlichem Zögern heraus in den Sturm des Geschehens, nur von Gottes Gebot und deinem Glauben getragen, und die Freiheit wird deinen Geist jauchzend empfangen.

Leiden

Wunderbare Verwandlung. Die starken, tätigen Hände sind dir gebunden. Ohnmächtig, einsam siehst du das Ende deiner Tat. Doch atmest du auf und legst das Rechte still und getrost in stärkere Hand und gibst dich zufrieden.

Nur einen Augenblick berührtest du selig die Freiheit, dann übergabst du sie Gott, damit er sie herrlich vollende.

Tod

Komm nun, höchstes Fest auf dem Wege zur ewigen Freiheit, Tod, leg nieder beschwerliche Ketten und Mauern unsres vergänglichen Leibes und unsrer verblendeten Seele, dass wir endlich erblicken, was hier uns zu sehen missgönnt ist. Freiheit, dich suchten wir lange in Zucht und in Tat und in Leiden. Sterbend erkennen wir nun im Angesicht Gottes dich selbst.

Lied: „Liebe, die du mich zum Bilde“, EG 401,1.5.7 Worte von George Bell über Dietrich Bonhoeffer

aus dem „Gedenkgottesdienst“ in London am 27. Juli 1945 aus der Holy Trinity Church, Kingsway. (Liturg: Julius Rieger; „Reden“: Bischof George Bell und Pastor Franz Hildebrandt, übertragen von der BBC; die Eltern Bonhoeffer haben diesen Gottesdienst im Rundfunk live in Berlin in der Marienburger Allee43 gehört); übersetzt von Eberhard Bethge.

„Es war im Mai 1942, als ich ihn zum letzten Male in Stockholm sah. Vollkommen unerwartet erschien er unter Lebensgefahr aus Berlin, um mir Informationen von äußerster Wichtigkeit zu geben über die Oppositionsbewegung in Deutschland, die Hitler und seine Hauptmitarbeiter beseitigen …und eine neue Regierung einsetzen wollte. Diese sollte die Nürnberger Gesetze aufheben, Hitlers Taten, soweit wie möglich, rückgängig machen und Frieden mit den Alliierten suchen. Von diesen letzten ernsten .Gesprächen mit Dietrich will ich nichts weiter sagen als dieses:

So tief er sich dem Plan der Beseitigung verpflichtet fühlte …, war es .ihm doch in keiner Weise leicht, diesen Entschluss als Christ zu fassen. ,Es muss eine Strafe von Gott geben‘ sagte er, ,wir wollen der Sühne (repentance) nicht entfliehen.‘

Die Beseitigung selbst – darauf bestand er – muss als ein Akt der Sühne verstanden werden. ,Strafe muss über uns kommen! Christen wünschen nicht, der Sühne oder der Strafe zu entgehen, wenn Gott sie über uns bringen will. Wir müssen dieses Gericht als Christen ertragen. ‘ Sehr bewegt war unsere Unterhaltung, sehr bewegt unser Abschied.

Und nun ist Dietrich von uns gegangen… Unsere Verpflichtung ihnen und allen anderen gegenüber, die auf ähnliche Weise gemordet wurden, ist übergroß. Sein Tod ist ein Tod für Deutschland – ja in der Tat auch für Europa. Er opferte seine menschlichen Aussichten, Heim, Freunde und berufliche Zukunft, weil er an Gottes Ruf für dieses Land glaubte. Er weigerte sich, jenen falschen Führern zu folgen, die die Diener des Teufels waren. Er wurde begeistert durch seinen Glauben an den lebendigen Gott und die Hingabe an Wahrheit und Ehre.

So ist sein Tod, wie sein Leben, von tiefstem Wert im Zeugnis der Bekennenden Kirche. In der edlen Gemeinschaft- der Märtyrer verschiedener Traditionen verkörpert er beides: den Widerstand der gläubigen Seele gegen den Angriff des Bösen im

Namen Gottes, und ebenso die moralische und politische Erhebung des menschlichen Gewissens, gegen Ungerechtigkeit und Grausamkeit.

Er und seine Freunde stehen auf dem Grund der Apostel und Propheten. Und es war die Leidenschaft für Gerechtigkeit, die ihn und so viele andere in der Bekennenden Kirche, die mit ihm übereinstimmten, in so enge Gemeinschaft mit anderen Männern des Widerstandes ‚brachte. Obgleich sie außerhalb der Kirche standen, teilten sie dieselben menschlichen und freiheitlichen Ansichten.

Unser Herr- spricht: Es sei denn, dass das Weizenkorn in die Erde falle und ersterbe, so bleibt’s allein, wo es aber stirbt, so bringt es viele Früchte. Wer sein Leben lieb hat, der wird’s verlieren; und wer sein Leben auf dieser Welt hasst, der wird’s erhalten zum ewigen Leben. ‘

So tief und unergründlich unser Schmerz erscheint, lasst uns einander mit diesen Worten trösten. Für ihn und für Klaus und für die unzählige Schar ihrer Mitopfer durch diese schrecklichen Kriegsjahre hindurch gibt es die Auferstehung vom Tod; für Deutschland Erlösung und Auferstehung, wenn es Gott gefällt, die Nation durch Männer seines Geistes zu führen, heilig, demütig und tapfer wie er; für die Kirche, nicht nur in dem Deutschland, das er so liebte, sondern auch für die Gesamtkirche, die für ihn größer war als Nationen, gibt es die Hoffnung auf ein neues Leben. ,Das Blut der Märtyrer ist der Same der Kirche.“

Wir gedenken der in Flossenbürg und Berlin Ermordeten:

Pfarrer Dr. Dietrich Bonhoeffer Admiral Wilhelm Canaris General Hans Oster Generalstabsrichter Dr. Karl Sack Hauptmann d. R. Dr. Ludwig Gehre Hauptmann d.R. Dr. Theodor Strünck General Dr. Friedrich von Rabenau

Aus der Familie Bonhoeffer :

Reichsgerichtsrat Hans v. Dohnanyi Syndikus Dr. Klaus Bonhoeffer Dr. Rüdiger Schleicher.

Entzünden von Kerzen – Stille Dietrich Bonhoeffer: „Von guten Mächten“ (Dezember 1944)

Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar, so will ich diese Tage mit euch leben und mit euch gehen in ein neues Jahr.

Noch will das alte unsre Herzen quälen, noch drückt uns böser Tage schwere Last.

Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen das Heil, für das du uns geschaffen hast.

Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand, so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern aus deiner guten und geliebten Hand.

Doch willst du uns noch einmal Freude schenken an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz, dann wolln wir des Vergangenen gedenken, und dann gehört dir unser Leben ganz.

Lass warm und hell die Kerzen heute flammen,

die du in unsre Dunkelheit gebracht,

führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.

Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.

Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet, so lass uns hören jenen vollen Klang der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet, all deiner Kinder hohen Lobgesang.

Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag.

Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Gebet

aus dem Gedenkgottesdienst in London am 27. Juli 1945

Allmächtiger, ewiger Gott, wir, bitten Dich in dieser Stunde um Dein Erbarmen für

alle, über die der Schrecken und die Angst des Todes gekommen sind;

für die Witwen und Waisen, die den Versorger verloren haben,

für die Mütter, denen die Kinder in der Grube des Todes geblieben,

für die leidgeprüften Eltern unserer toten Freunde in Berlin,

für die Verlobte Dietrich Bonhoeffers, der alle irdische Hoffnung

genommen ist,

für die trauernden Brüder und Schwestern, die Schwager und Schwägerinnen und ihre Kinder, …

Herr, wir wissen nicht, was wir tun sollen, aber unsere Augen sehen nach Dir;

so erfülle Du die Seelen der Verzagten mit Trost und Geduld, stärke, die Du heimgesucht hast, durch die Gewißheit Deiner Führung, öffne den Leidenden den Blick für die ewige Welt, die denen offen steht, die ihr Leben in dieser Welt hassen.

Allbarmherziger Gott und Vater, der Du uns also geliebt hast,

daß Du uns Deinen eingeborenen Sohn gabst,

auf dass alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das

ewige Leben haben:

Erwecke unter uns allen, die Du in so große Traurigkeit gestellt, ein herzliches Erbarmen untereinander, die Bereitschaft zu‘ einer tätigen Liebe in der Nachfolge Jesu, die große Not unter den Völkern dieser Welt zu wenden, den Hass unter ihnen zu zerstreuen,

Freundschaft und Aussöhnung unter ihnen zu suchen,

dem Leid in Deiner Kirche zu steuern,

allen Verlassenen in Deiner Liebe nachzugehen.

Werde Du nicht müde, uns zu lehren, was wir tun sollen, richte unser Auge auf Dich und unser Ohr auf Dein Wort.

Du, der Du über Tote und Lebendige Herr bist,

der Du zu uns redest durch Tod und Auferstehung Deines Sohnes,

den Du zum Erben gesetzt hast über alles,

der da ist der Glanz Deiner Herrlichkeit,

und der alle Dinge mit Seinem kräftigen Wort trägt.

Lass uns, die wir nicht wissen, was wir tun sollen, Deine herbe und doch allein tröstende Wahrheit erkennen,

dass das Weizenkorn viele Früchte bringt,, so es in die Erde fällt und abstirbt.

Lass uns über unserer armen Erde- den Tag aufgehen, da alle Rätsel dieser Zeit in Deinem Lichte ihre Lösung finden, im Anschauen Deiner Liebe alle Bitterkeit des Herzens schwindet, und Leid und Geschrei und Tränen nicht mehr sein werden.

Vaterunser

Lied: Christ ist erstanden (EG 99)

Quellen:

Eberhard Bethge, Dietrich Bonhoeffer. Eine Biographie; München 1967 Gottfried Brezger,

Bekennen und Widerstehen am Beispiel Dietrich Bonhoeffer; Vortrag 9. April 2018 („Schlachtenseer Abende“; Manuskript)

Dietrich Bonhoeffers Weg in den Tod und sein Blick in die Zukunft; Manuskript 2015

Wolfgang Huber, Dietrich Bonhoeffer. Auf dem Weg zur Freiheit. Ein Porträt; München 2019

Aufwiedersehen

Martin Duberke

Heute verabschiede ich mich nach rund vier Jahren als Geschäftsführer des Bonhoeffer-Hauses von Ihnen und Euch.  Ich habe in diesem Haus gemerkt, was es bedeutet, in einem Haus zu leben, das eine besondere Geschichte hat, das auch einen Geist hat und wie der sich auf das eigene Leben, Wahrnehmen, Denken und Entscheiden auswirkt.  Früher habe ich immer ein wenig geschmunzelt, wenn ich gelesen habe, dass es im Haus eines bekannten Autors der Literaturgeschichte wieder einen neuen Writer in Residence gibt. Heute kann ich es nachempfinden, was es bedeutet, weil ich es am eigenen Leib erfahren habe. Ich bin auch sehr dankbar für die vielen Begegnungen, die ich hier im Hause mit Menschen aus aller Welt hatte, die vielen spannenden und interessanten Gespräche.  Mein Dank gilt dem Team, mit dem wir in den vergangenen vier Jahren mehr als 6000 Besucherinneren und Besucher hier im Haus betreut haben, sondern in besonderem Maße auch meiner Familie, meiner Frau und meinen beiden Söhnen. Wir haben in diesem Haus als Familie gelebt und damit auch gemeinsam Verantwortung wahrgenommen.  Am Montag wird nun der Umzugswagen vor der Tür stehen und unser Hab und Gut nach Garmisch-Partenkirchen bringen, wo ich ich am 1. August meine neue Pfarrstelle antreten werde. Naja, und auch dort ist ein Dietrich-Bonhoeffer-Ort nicht so weit entfernt: Kloster Ettal. Also, Bonhoeffer wird mich nicht loslassen. Tschüß und Gott befohlen.  Ihr Pfr. Martin Dubberke

Renate Bethge ist gestorben

Renate Bethge

Renate Bethge (geb. 26. Okt. 1925) ist am  8.Juli 2019 in Bremen gestorben. Die Trauerfeier war am Donnerstag, 18. Juli, in Bremen, wo sie ihre letzten Jahre in einem Altenheim in der Nähe ihrer Tochter gelebt hat. Bei der Trauerfeier wirkte die ehemalige Vorsitzende der Internationalen Bonhoeffer-Gesellschaft, Deutschsprachige Sektion, Prof. Dr. Christiane Tietz aus Zürich mit. Das Bonhoeffer-Haus war durch seinen Vorsitzenden, Pfr. i. R. Gottfried Brezger vertreten. Er überreichte der Familie Fotaufnahmen von Renate und Eberhard Bethge, die 1989 anlässlich der Video-Dokumentation „Ein Heiliger, der konspiriert“, im Bonhoeffer-Haus entstanden sind.

Renate Bethge hat nicht nur die Dokumentation des Lebens und Werks Dietrich Bonhoeffers und die Weiterarbeit an den darin liegenden Herausforderungen begleitet. Sie hat auch in vielen Vorträgen, Interviews, Gesprächen, Bildbänden und anderen Publikationen entscheidend dazu beigetragen, dass Dietrich Bonhoeffer in der großen Ökumene so hoch geschätzt wird.

Ein wichtiger Schwerpunkt für sie war der Einblick, den sie in die familiären Einstellungen geben konnte: „Die Familie hatte so viel Gewicht, dass es für den einzelnen ungleich schwieriger gewesen wäre, ein Nazi oder auch nur ‚Mitläufer‘ zu werden, als in den Widerstand zu gehen.“

Sie hat dabei mitgewirkt, dass das familiäre Gedächtnis im Haus der Großeltern in der Marienburger Allee 43 in Berlin ab 1987 mit der Erinnerungs- und Begegnungsstätte einen bleibenden Ort erhalten hat, der für Besucher aus aller Welt offen steht. Zu dessen Kuratorium gehörte sie zusammen mit ihrem Mann und über seinen Tod im Jahr 2000 hinaus. Unser Dank und unsere Gedanken an sie bleiben gegenwärtig.

MATINEE mit Dr. Jutta Koslowski

Ausstellungsraum im Bonhoeffer-Haus

„Farbige Blüten auf schwarzem Grund“

Erinnerungen aus dem Leben der Familie Bonhoeffer. 

Lesung und Gespräch mit Dr. Jutta Koslowski, Herausgeberin der Aufzeichnungen von Dietrich Bonhoeffers jüngster Schwester Susanne Dreß.

Sonnabend, 6. April 2019

Wie immer beginnen wir um 10:00 Uhr mit einem Kaffee, Begegnung und Gespräch. Um 11:00 Uhr beginnt dann der Vortrag und gegen 13:00 Uhr endet die Veranstaltung. 

MATINEE mit Prof. Dr. Wolf Krötke – Ein aristokratischer Christ und visionärer Denker

Ausstellungsraum im Bonhoeffer-Haus

Prof. Dr. Wolf Krötke

Ein aristokratischer Christ und visionärer Denker

Dietrich Bonhoeffer in der Wahrnehmung Karl Barths

Vortrag aus Anlass des 50. Todestages von Karl Barth am 8. Dezember 2018.

Wie immer beginnen wir um 10:00 Uhr mit einem Kaffee, Begegnung und Gespräch. Um 11:00 Uhr beginnt dann der Vortrag und gegen 13:00 Uhr endet die Veranstaltung. 

MATINEE mit Prof. Dr. Klaus-Jürgen Neumärker – Karl Bonhoeffer – Ein Leben für die Psychiatrie und Neurologie

Vortrag anlässlich des 150 Geburtstags und des 70. Todestags von Karl Bonhoeffer

Über den Referenten

Klaus-Jürgen Neumärker (*1940) studierte Human- medizin an der Humboldt-Universität zu Berlin. 1966 Assistenz an der Psychiatrischen und Nervenklinik der Charité Berlin. Nach Promotion und Habilitation Lehrstuhlinhaber an der Humboldt-Universität. Lei- tende Funktionen auf dem Gebiet der Neurologie und Psychiatrie an der Charité. Bis 2005 Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psycho- therapie an den DRK Kliniken Berlin/Westend.

Wann?

Samstag 15. September 2018, 11:00 – 13:00

Ab 10:00 Uhr ist Zeit für einen Kaffee, Begegnung und Gespräch. Der Vortrag beginnt um 11:00 Uhr.

Anmeldung

MATINEE mit Prof. Dr. Konrad Raiser – 70 Jahre Ökumenischer Rat der Kirchen – im Licht der frühen ökumenischen Impulse von Dietrich Bonhoeffer

Martinee 2018

Vortrag und Gespräch anlässlich der 1. Vollversammlung des Ökumenischen Rats  der Kirchen in Amsterdam am 23. August 1948

Über den Referenten

Der evangelische Theologe Konrad Raiser (*1938) war von August 1992 bis Dezember 2003 Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen. Der Ökumenische Rat der Kirchen mit Sitz ist eine Gemeinschaft aus 350 Mitgliedskirchen, die insgesamt mehr als eine halbe Milliarde Christen als Mitglieder zählen. Mit seiner Arbeit strebt der Rat die Einheit der Christen an.

Wann?

Samstag 6. Oktober 2018, 11:00 – 13:00

Ab 10:00 Uhr ist Zeit für einen Kaffee, Begegnung und Gespräch. Der Vortrag beginnt um 11:00 Uhr.

Tag des offenen Denkmals im Bonhoeffer-Haus

Liebe Freundinnen und Freunde des #BonhoefferHauses

am

8. September

ist das Bonhoeffer-Haus im Rahmen des Tags des offenen Denkmals von 10:00 bis 16:00 Uhr geöffnet. „Die letzte verantwortliche Frage ist nicht, wie ich mich heroisch aus der Affäre ziehe, sondern wie eine kommende Generation weiterleben soll.“

Das schrieb Dietrich Bonhoeffer Ende 1942 in seinem Elternhaus an seine Mitkonspiratoren. 1935 von Jörg Schleicher erbaut, hilft uns dieser historische Lernort in der Heerstraßen-Siedlung den Blick für aktuelle Herzausforderungen, wie die zunehmende Ausgrenzung gesellschaftlicher Gruppen weltweit und in unserer Gesellschaft, zu weiten.