Hausgeschichte
Das Haus der Familie Bonhoeffer
Das Haus in der Marienburger Allee 43 wurde 1935 im Berliner Westend erbaut. Es entstand als Alterssitz für Karl und Paula Bonhoeffer. Das Ehepaar hatte acht Kinder – der Sohn Walter verstarb bereits 1918 im Ersten Weltkrieg –, die zu diesem Zeitpunkt bereits alle aus dem Elternhaus im Berlin-Grunewald ausgezogen waren. Allein Dietrich war noch ledig und erhielt ein Zimmer im Dachgeschoß. Dietrich Bonhoeffer nutzte das Haus, wann immer er sich in Berlin aufhielt, als Wohn- und Arbeitsort. Auch die Großmutter Julie Bonhoeffer verbrachte ihre letzten Lebensjahre in diesem Haus.
Das Haus der Bonhoeffers war regelmäßig Schauplatz von Familientreffen und geistiger Auseinandersetzung sowie bürgerlicher Kultur. In der Zeit des Nationalsozialismus fanden hier auch geheime Treffen und Gespräche der Konspiration statt.
Sitz des Studentenpfarrers Bethge
Nach Karl Bonhoeffers Tod 1948 und dem seiner Frau Paula 1951 erwarb die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg mit Hilfe von Gelder der schwedischen Kirche das Haus als Sitz des Studentenpfarrers – damals Eberhard Bethge – und der Studentengemeinde an den Charlottenburger Hochschulen (TU).
Der Theologe Eberhard Bethge, enger Freund, Schüler und Biograf Bonhoeffers, zog mit seiner Familie in das Haus ein. Bethge führte hier seine Arbeit fort, das geistige Erbe Bonhoeffers zu erschließen und international bekannt zu machen.
Studierendenwohnheim
Zwischen den 1950er und 1980er Jahren diente das Haus als Wohnheim für Studierende verschiedener Fachrichtungen. Bis zu 13 Personen waren hier gleichzeitig untergebracht.
Erinnerungs- und Begegnungsstätte
Seit den frühen 1980er Jahren wuchs das Bewusstsein, das Bonhoeffer-Haus nicht nur zu erhalten, sondern auch als Lern- und Erinnerungsort weiterzuentwickeln. Erste Konzepte zur institutionellen Nutzung wurden entwickelt. 1987 konnte das Haus mit seiner künstlerischen Ausstellung aus Bildkollagen für die Öffentlichkeit freigegeben werden.
2017 ist die kontinuierliche Arbeit in die Rechtsstruktur des „Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus e.V.“ übergegangen, dessen Arbeit als gemeinnützig anerkannt ist. Das Haus ist heute ein offener Erinnerungsort mit gesellschaftlicher Relevanz, getragen von zivilgesellschaftlichem Engagement und einem kirchlichen Bildungsauftrag.
Architekturgeschichte und Baudenkmal
Das Haus ist ebenso und zeitgleich wie das Nachbarhaus Marienburger Allee 42 – dem Haus von Dietrichs ältester Schwester Ursula und Ihrer Familie mit Rüdiger Schleicher – von Jörg Schleicher entworfen.
Die konservative Stuttgarter Bauschule, seit den 1920er Jahren vertreten durch Paul Bonatz und Paul Schmitthenner, diente als Vorbild für den bürgerlichen Wohnhausbau im Dritten Reich. Der zweigeschossige, hell verputzte Kubus weist traditionelle Elemente wie Sprossenfenster, Klappläden und Walmdach auf. Während der Grundriss mit einer Dreiergruppe von Zimmern auf der Gartenseite – Wohnzimmer, Zimmer der Dame, Zimmer des Herrn – einem klassischen Muster folgt, zeigt die straßenseitige Fassade durch versetzte Achsen sowie einem Spiel aus Symmetrien und Asymmetrien gestalterischen Reiz. So ist die Haustür aus der Mitte gerückt und die Fenstergruppe des Obergeschosses leicht verschoben; die Gartenseite ist nur dreiachsig.
1996 wurde das Bonhoeffer-Haus als Baudenkmal unter Schutz gestellt. Der Denkmalstatus schützt nicht nur die bauliche Substanz, sondern unterstreicht auch die historische Bedeutung des Ortes.