Dietrich

Wer war Dietrich Bonhoeffer?

Dietrich Bonhoeffer (1906–1945) war evangelischer Theologe und ein prominenter Gegner des Nationalsozialismus. Bereits früh entwickelte er ein eigenständiges theologisches Denken. Seine Überlegungen zur Aufgabe der Kirche („dem Rad in die Speichen fallen“) und sein konsequentes Handeln machen ihn im In- und Ausland zum prominentesten und vielleicht einflussreichsten deutschen Theologen des 20. Jahrhunderts.

Als Vertreter der Bekennenden Kirche widersetzte sich Bonhoeffer der Gleichschaltung der evangelischen Kirche durch das NS-Regime. Prägend waren für ihn die Erfahrungen in Harlem (NY) und der Kampf der schwarzen Gemeinden gegen den Rassismus in den USA. Seine Mitarbeit in der kirchlichen Opposition, sein Engagement in der Ausbildung von Vikaren im illegalen Predigerseminar in Finkenwalde und schließlich seine Mitwirkung im Widerstandskreis um Admiral Canaris machten ihn zu einer zentralen Figur des protestantischen Widerstands.

Bonhoeffer wurde im April 1943 verhaftet und nach zweijähriger Haft im KZ Flossenbürg im April 1945 ermordet. Seine Schriften, darunter „Ethik“, „Widerstand und Ergebung“ sowie zahlreiche Briefe, Tagebuchnotizen und Predigten, gehören heute zu wichtigen Orientierungspunkten vieler Christinnen und Christen – besonders in Situationen von Unrecht und Unterdrückung wie etwa in Korea, Südafrika, Taiwan, Hongkong u. a.

Biografische Stationen

1906: Geburt in Breslau, 4. Februar

1912: Umzug der Familie nach Berlin

1923–1927: Theologiestudium in Tübingen, Rom und Berlin

1927: Promotion in Berlin: „Sanctorum communio. Eine Untersuchung zur Soziologie der Kirche“

1928: Vikariat in Barcelona

1930–1931: Studienaufenthalt am Union Theological Seminary in New York

1931–1933: Privatdozent an der Universität Berlin und Studentenpfarrer an der Berliner Technischen Hochschule

1933–1935: klare Ablehnung des NS-Regimes, Pfarrer der deutschen evangelischen Gemeinde in London-Sydenham

1935–1937: Leitung des Predigerseminars der Bekennenden Kirche in Finkenwalde bei Stettin, bis zu dessen Schließung

1939: kurzzeitig in den USA, lehnt jedoch Berufung ab und kehrt nach Deutschland zurück

1940–1943: Schließt sich über seinen Schwager Hans von Dohnanyi dem politischen und militärischen Widerstand im Amt Ausland/Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht an.

1943: Verhaftung durch die Gestapo im Elternhaus – dem heutigen Bonhoeffer-Haus – am 5. April

1945: Hinrichtung im KZ Flossenbürg am 9. April

Glaube und Widerstand

Bonhoeffers theologisches Handeln war von Anfang an von der Überzeugung geprägt, dass christlicher Glaube nicht nur innerliche Frömmigkeit, sondern auch ethisches Handeln in der Welt verlangt. In einer Zeit, in der viele Kirchen dem NS-Regime mit Anpassung begegneten, forderte er eine Kirche, die für die Opfer eintritt – und nicht nur für ihre eigene Existenz.

Seine Schriften thematisieren die Rolle der Kirche in der Gesellschaft, das Verstummen angesichts staatlicher Gewalt und die Verantwortung des Einzelnen. Sein berühmter Satz „Nur wer für die Juden schreit, darf auch gregorianisch singen“ bringt diese Haltung auf den Punkt. Bonhoeffer wirkte nicht nur als Theologe, sondern auch als Seelsorger, geistlicher Begleiter und international vernetzter Denker.

In seiner Haftzeit intensivierte sich seine Auseinandersetzung mit Fragen von Schuld, Verantwortung und Nachfolge. Die späten Texte Bonhoeffers, vor allem seine Briefe aus der Haft, zeigen ein tiefes theologisches Ringen um einen Glauben jenseits von Religion, der sich im Leben bewähren muss.

Bonhoeffers Vermächtnis

Das geistige und ethische Erbe Dietrich Bonhoeffers wirkt bis heute weltweit nach. Seine Schriften sind Teil der theologischen Ausbildung in vielen Ländern, sein Lebensweg ist fester Bestandteil des kirchlichen Gedenkens. Bonhoeffer gilt als Symbolfigur für den christlich motivierten Widerstand gegen das Unrechtsregime.

Zahlreiche Schulen, Kirchen und Institutionen tragen seinen Namen. In der Ökumene und in Menschenrechtsbewegungen weltweit wird seine Stimme gehört. Die Rezeption seines Werkes reicht von konservativer Ethik bis zur befreiungstheologischen Reflexion. Besonders in Fragen der politischen Theologie, der Gewissensethik und der kirchlichen Verantwortung gegenüber Staat und Gesellschaft bleibt Bonhoeffers Denken herausfordernd aktuell.

Sein Vermächtnis ruft zur Wachsamkeit, zum mutigen Eintreten für Gerechtigkeit und zu einer Haltung auf, die den Glauben nicht vom Handeln trennt. Das Bonhoeffer-Haus versteht sich als Ort, dieses Vermächtnis lebendig zu halten.

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